Jakob Rasch

Projektskizze

Der Augsburger Dom als soziales, wirtschaftliches und religiöses Zentrum im Spätmittelalter

 

Die historische Bedeutung des Augsburger Doms darf nicht nur an seinen vielerforschten architektonischen- und kunstgeschichtlichen Besonderheiten festgemacht werden. Während das monumentale Bauwerk heute hauptsächlich religiösen und touristischen Zwecken dient, war es seit Anfang des Mittelalters vor allem eines: ein Knotenpunkt. Dieses Zentrum, dessen vielen ungelösten Fragen sich erst im Jahr 2019 wieder ein umfangreicher Tagungsband widmete,1 wurde bereits in vielerlei Hinsicht historisch beleuchtet. Während dabei immer wieder verschiedene Themenbereiche angesprochen wurden, fehlen dennoch für das Mittelalter Untersuchungen zu den grundlegendsten Funktionen und dem Alltag dieses Zentrums. Dieser Alltag wurde ab dem Spätmittelalter nicht mehr nur von dem vorwiegend vom landsässigen Adel besetzten Domkapitel geprägt. Die vor Ort anfallenden Tätigkeiten, die Gottesdienste und die seelsorgende Arbeit wurde von einfachen Klerikern übernommen, dem sogenannten niederen beziehungsweise korrekter nachrangigem Domklerus.2 Dieser nachrangige Domklerus kümmerte sich um die um 1500 mehr als 40 Nebenaltäre, um die sich das religiöse Leben im Augsburger Dom herum abspielte.3 Sowohl der niedere Domklerus, darunter vor allem die sogenannten Domvikare, als auch die vom Bürgertum mitgetragenen Nebenaltären fanden bis heute keine Beachtung.4 Eine umfassende funktionsgeschichtliche Untersuchung des Augsburger Doms im Spätmittelalter konnte damit bis heute nicht stattfinden. Um diese Forschungslücke zu beheben, nähere ich mich dem religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Zentrum Augsburger Dom grundlegend an. Grundlegend bedeutet in diesem Fall, dass das Endprodukt meiner Arbeiten zweiteilig sein wird: Ein 400 Urkunden umspannendes Regestenwerk und eine auch darauf aufbauende Analyse. Die Urkunden des Bestandes ‚Domkapitel Augsburg Benefizien‘ widmen sich thematisch den Domaltären und dem nachrangigen Domklerus. Eine Bearbeitung in Form von Regesten ist notwendig, um ein weit über die bisherige Forschung hinausgehendes Bild des Alltags am Augsburger Doms zeichnen zu können. Wie diese Dokumente deutlich machen, war der Dom als zentraler und beständiger Ort, in einer Zeit der Unbeständigkeit und der Allgegenwärtigkeit des Todes, aufs engste mit den Aspekten Memoria und Seelenheil verbunden. Der in den Urkunden fassbare wirtschaftliche Faktor der Altarstiftungen ist zudem als Grundlage nicht nur des religiösen, sondern auch des sozialen Lebens vor Ort von Interesse. Meine Dissertation wird sich diesen Themenkomplexen über eine Analyse der finanziellen Situation der Benefizien, der religiösen und sozialen Auswirkungen der Altarstiftungen im Dom und auch der Prosopographie des nachrangigen Domklerus widmen. Zum Forschungsstand muss betont werden, dass die Erforschung der nachrangigen Domkleriker nicht nur in Augsburg, sondern an den meisten Kathedralen des Heiligen Römischen Reiches aussteht. 5

 

1 Dieser Band war das Ergebnis der vom Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte der Universität Augsburg und dem Verein für Augsburger Bistumsgeschichte veranstalteten Tagung Bischöfe und ihre Kathedrale im mittelalterlichen Augsburg: KRÜGER, Thomas; GROLL, Thomas (Hg.): Bischöfe und ihre Kathedrale im mittelalterlichen Augsburg (Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 53/2), Augsburg 2019.

 

2 Der Terminus „niederer Domklerus“ ist trotz seiner häufigen Benutzung in der Forschung im Grund genommen irreleitend. Allein schon die große Gruppe der Domvikare war dazu verpflichtet, spätestens zu ihrem Amtsantritt die Priester-Weihe zu erlangen.

 

3 Diese Nebenaltäre lassen sich im Bestand der Benefizien nachweisen: Augsburg, Staatsarchiv Augsburg, Domkapitel Augsburg, Benefizien.

 

4 Nur zum nachrangigem Domklerus existiert ein rein personengeschichtlich relevanter Nekrolog ihrer Bruderschaft. Dieser wurde als Privatdruck herausgegeben: HAEMMERLE, Albert (Hg.): Das Necrologium der Vicarierbruderschaft St. Mang am Dom zu Augsburg (Die Necrologe und Ordinationsbücher des Augsburger Domkapitels und der Vicarierbruderschaft St. Mang am Dom zu Augsburg 4), München 1958

 

5 Das bei der Göttinger Akademie der Wissenschaften ansässige Langzeitprojekt ‚Germania Sacra‘ sieht für den nachrangigen Domklerus zumindest die Erarbeitung von Personallisten vor, die jedoch für die meisten Kathedralen noch ausstehen und in diesem Rahmen auch nicht sozialgeschichtlich analysiert werden können. Als Beispiel abgeschlossener Personallisten der Germania Sacra kann verwiesen werden auf: KOHL, Wilhelm: Das Domstift St, Paulus zu Münster. 3 Bde. (Germania Sacra N. F. 17, 1–3), Berlin, New York, 1987/1982/1989 und: LUDWIG, Matthias: Stiftsherren und Vikare des Kollegiatsstifts St. Peter und Paul in Zeitz 1400-1564 (Germania Sacra Supplementband 1), Göttingen 2015.

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