Im Gedenken an Dr. Christoph Höcker

Christoph Höcker (Kiel 1957 – Augsburg 2022)

 

Christoph Höcker wurde 1990 bei Burkhardt Fehr in Hamburg promoviert, nachdem er dort Klassische Archäologie mit den Nebenfächern Alte Geschichte sowie Vor- und Frühgeschichte studiert hatte. Am Hamburger Institut begann er auch seine universitäre Laufbahn und arbeitete dort bis 1997 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Zwischen 1996 und 2003 war er als Teil-Herausgeber des Neuen Pauly bis zum Band 15,3 mit variierenden Zuständigkeitsbereichen tätig, 1996-2010 fungierte er auch als Mitherausgeber des Hamburger Hephaistos.

Dann brachten ihn persönliche Gründe 1999 nach Augsburg. So kam es, dass er eines Tages in meinem Büro stand und sich aus diesem Kontakt eine Zusammenarbeit und Freundschaft entwickelte. Für ihn als erkennbar Norddeutschen wurde die Klassische Archäologie der Universität für mehr als eineinhalb Jahrzehnte sowohl Arbeitsort wie intellektueller und institutioneller Bezugspunkt, Augsburg schließlich zu seiner neuen Heimat.

In seiner Dissertation Planung und Konzeption der klassischen Ringhallentempel von Agrigent (publiziert 1993) analysierte Höcker die griechischen Tempel unter konzeptionellen Entwurfs-Aspekten aus der Sicht eines Archäologen. Sein interessanter Ansatz kam damit jedoch in Konflikt mit der Sicht der bauforschenden Architekten. Die griechische Architektur blieb dennoch einer seiner Arbeitsschwerpunkte, den er später um deren Rezeptionsgeschichte erweiterte. Vor allem in zahlreichen Rezensionen nahm er weiterhin Stellung zu neueren Forschungen. Hephaistos mit seinem bewusst weiten Themenspektrum bot ihm dazu eine gute Plattform.

Schon 1990 hatte er für den Band Die Akropolis von Athen. Antikes Heiligtum und modernes Reiseziel mit Lambert Schneider zusammengearbeitet (überarbeitete Auflage 2001), eine Darstellung des Zentrums griechischer Kunst in der zeittypisch kontextual-politischen Sicht, die auch die heutige Rezeption durch den Tourismus einbezieht. Über viele Jahre blieb das Buch Pflichtlektüre für Universitätsseminare. Es sollte der erste einer ganzen Reihe anspruchsvoller Reiseführer werden, die in zahlreichen Auflagen und sehr großen Stückzahlen erschienen (wieder mit Lambert Schneider: Griechisches Festland, 1996, fünf Auflagen bis 2011; Der Golf von Neapel und Kampanien, 1999, sechs Auflagen bis 2011). Auch hier wickelte Höcker nicht nur den üblichen Kanon ab, sondern führte den Nutzer an unerwartete Orte. So findet man neben den klassischen Zielen am Golf auch die Seidenmanufaktur von König Francesco IV in San Leucio ebenso wie die Villa Malaparte auf Capri und sogar das "Centro Direzionale" aus den 1990er Jahren hinter dem Hauptbahnhof von Neapel. Später entstanden bibliographisch weniger aufwendige aber ebenso erfolgreiche Städteführer zu Rom (vier Auflagen bis 2020) und London (zwei Auflagen 2008 und 2012) für ein breites Publikum. Für diese Zielgruppe verfasste er auch schmale Bändchen in verlegerisch konzipierten Reihen, sogenannte "Schnellkurse" zur Architektur, der Griechischen Antike und zum Antiken Rom.

Auch die bereits erwähnte lexikographische Tätigkeit erweiterte er. Neben seiner Tätigkeit als Herausgeber hatte Höcker eine große Zahl von Lemmata zu einem breiten Themenspektrum verfasst (Auswahl in der Bibliographischen Datenbank Gnomon). Daraus entstand auch ein eigenständiges, für ein breites Publikum gedachtes Lexikon Antiker Architektur (2004 und 2008).

Höcker blieb ein Mann mit vielfältigen Interessen, die ihn auch an die Ränder unseres Faches führten und damit zu einem ausgesprochen anregenden Gesprächspartner machten. So behandelte er aus der Sicht des Archäologen ebenso das Greek Revival in der Architektur der USA wie die Bezüge der Architekten des 'Gruppo sette' des Razionalismo der 20er und 30er Jahre zur antiken Formensprache. Sogar der 'Sandalenfilm' und dessen verdrehte, zum Teil nur scheinbar antike Objektwelt wurde zum Thema für einen größeren Essay.

In Augsburg nahm er immer wieder Lehraufträge zur Grundlagenvermittlung wahr, für uns wichtiger war aber seine Teilnahme an einer ganzen Reihe von Exkursionen, auf denen er nicht nur seine architekturhistorische Kompetenz, sondern auch, wie z.B. in London, seine Neugierde und Kenntnisse rezeptionsgeschichtlicher Phänomene einbrachte. Doch während ihm die bekanntermaßen beschämend niedrigen Vergütungen für solche Tätigkeit an deutschen Universitäten nicht einmal ein bescheidenes Grundeinkommen sichern konnten, bot ihm ein langjähriger Lehrauftrag (2001-2014) bei Andreas Tönnesmann am Institut für Kunst- und Architekturgeschichte der ETH Zürich genau diese notwendige Absicherung.

Christoph Höcker starb nach langjähriger, sehr schwerer Krankheit am 3.5.2022 in Augsburg.

Valentin Kockel (Wiesbaden)

 

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