Leitung: Prof. Dr. Markus Dauss

Frankfurt bietet eine Vielzahl von herausragenden Bauten aus der Epoche der Moderne. Die zweitägige Exkursion lenkte den Blick auf diese Architekturen, die heute häufig im dichten urbanen Gefüge übersehen werden.
Die Tour setzte, im Sinne einer Kontrastbildung, bei einem Großmonument des Historismus an: dem ab 1888 unter preußischer Ägide errichteten Hauptbahnhof. Er war und ist das infrastrukturelle Tor zur Stadt und einer der meistfrequentierten Bahnhöfe Deutschlands. Von hier aus wurde eines der ersten Hochhäuser Frankfurts erschlossen: Max Tauts Bürohaus des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes stellt mit seiner skeletthaften Eisenbetonkonstruktion und modularen Rhythmik bewusst den Gedanken moderner Rationalität aus; dennoch wird den Verweisen auf industrielle Standardisierung und Materialität durch subtile Varianzen und Detaillierungen ihre Krudität genommen.

 

© Universität Augsburg
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Begangen wurde auch das Technische Verwaltungsgebäude der Hoechst AG (Vorläufer des I.G.-Gebäudes im Westend), das zwischen 1920 und 1924 vom Industriearchitekten und -designer Peter Behrens in Frankfurt Hoechst geschaffen wurde. Der Künstler, der vor allem für seine Aktualisierung klassizistischer Formensprache – so schon vor dem Ersten Weltkrieg im Auftrage der AEG in Berlin – bekannt geworden war, schuf hier einen ungewöhnlich expressiven Ziegelbau: Er verbindet fortifikatorische Elemente mit einer vielfarbigen Transluzenz und stellt mit seiner markanten Silhouette ein viel beachtetes, frühes Beispiel von 'corporate architecture' dar. 

Backstein bestimmt auch die beiden besichtigten Kopfbauten der 1928 in Dienst genommenen, monumentalen Großmarkthalle aus der Hand Martin Elsaessers. Zwischen die flankierenden Riegel setzte der Architekt eine Folge von 15 dünnschaligen Eisenbetontonnen. In Kombination mit einer innovativen Lichtregie entfalten sie eine fast sakrale Anmutung. Seit 2014/15 ist die Halle Teil des Ensembles der neuen EZB (Coop Himmelblau). Lange Diskussionen waren vorangegangen, in denen Denkmalschutz wie historisches Gedenken eine Rolle spielten, denn die Halle hatte zwischen 1941 und 1945 als Sammelstelle für fast 10 000 Juden gedient, die von hier aus deportiert wurden.

 

© Universität Augsburg
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Ein ganz eigenes ‚Monument‘ stellen die ab 1925 unter dem Stadtbaurat Ernst May um die Frankfurter Kernstadt herum angelegten Wohnsiedlungen des ‚Neuen Frankfurt‘ dar, die als maßgebliches Beispiel der Bewegung des neuen bauen in der Weimarer Republik gelten: Ihre Ensembles versuchen den Ideen der Verdichtung wie Entzerrung zugleich gerecht zu werden und zudem Standardisierung und Varianz bzw. Ortsspezifik miteinander zu versöhnen. Dennoch sind sie, modernetypisch, dem Konzept einer umfassenden Gestaltung des Lebens der Bewohner verpflichtet. Das kann noch heute an der ‚Frankfurter Küche’, einer ergonomisch gestalteten Einbauküche, studiert werden kann. Sie steht im denkmalgerecht wiederhergestellten und weitgehend originalgetreu eingerichteten ernst-may-haus in der Siedlung Römerstadt, das ebenfalls begangen wurde.

Der Campus Westend der Goethe-Universität, ab 2001 von geisteswissenschaftlichen Instituten der größten hessischen Universität genutzt, steht im Zeichen einer baulichen Wiederaneignung: nämlich der von Hans Poelzigs ikonischem I.G.-Farben-Verwaltungsgebäude. Der repräsentative Solitär gilt als Exponent einer konservativen Moderne, da er typische Züge des neuen Bauens (wie Fensterbänder) mit bewährten Formeln der Macht und massiven Wehrhaftigkeit verbindet. Die ab 2004 im gestalterischen Anschluss an die Architekturikone realisierten Neubautranchen lassen sich in ihrer Mischung aus (steinerner) Traditionsbeschwörung und (glasfixierter) unternehmerischer Hochglanzästhetik kontrovers im Hinblick auf das Selbstverständnis der universitären Institution diskutieren.  

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