Forschungsprojekte

Der Codex Manesse. Sammlungsaufbau und Kontextualisierung der Autorcorpora

Das Projekt-Team: Dominik Nießl M.A., Claudia Maria Kraml M.A., Prof. Dr. Anna Kathrin Bleuler © Universität Augsburg

 

Über das Projekt

D-A-CH-Projekt, gefördert von FWF (lead agency) und DFG


Projektlaufzeit: März 2021 bis Februar 2024
Projektleitung: Prof. Dr. Anna Kathrin Bleuler
Projektmitarbeiter*in: Claudia Maria Kraml M.A., Dominik Nießl M.A.
Internationaler Projektpartner: Prof. Dr. Andreas Hammer, Universität Konstanz (D)
Kooperationspartner*innen: Dr. Karin Zimmermann (Leiterin der Abteilung Historische Sammlungen der Universitätsbibliothek Heidelberg), Prof. Dr. Susanne Wittekind (Kunstgeschichte, Universität zu Köln), Prof. Dr. Franz-Josef Holznagel (mhd. Lyriküberlieferung, Universität Rostock), Prof. Dr. Manuel Braun (Poetik des Minnesangs, Universität Stuttgart)

 

Der Codex Manesse ist eine von der UNESCO 2019 zum Weltdokumenterbe nominierte, um 1300 entstandene Handschrift, die mit 140 Autorcorpora und 137 Miniaturen die umfangreichste Sammlung mittelhochdeutscher Lyrik darstellt. Das Projekt hat das Ziel, den Sammlungsaufbau der Handschrift zu erforschen. Gefragt wird, wie die Anordnung der Autorcorpora überlieferungsgeschichtlich zustande kommt, um davon ausgehend Aussagen zu den Gliederungs- und Sammlungsprinzipien, die in der Handschrift wirksam sind, zu treffen sowie zum literaturgeschichtlichen Wissen, das sich darin abbildet. Zwar gibt es codicologische und kunsthistorische Untersuchungen, die Aufschluss über die Entstehungsgeschichte des Codex geben, inhaltlich ist die Textsammlung jedoch nur unzureichend untersucht. Die literaturwissenschaftliche Forschung hat sich bisher hauptsächlich auf bestimmte Autoren konzentriert und diese losgelöst vom Sammlungskontext betrachtet. Die Überlieferungsgeschichte wurde (wenn überhaupt) isoliert in Hinblick auf einzelne Autoren bzw. Texte erforscht; die paläografischen und codicologischen Befunde wurden in literaturwissenschaftlichen Arbeiten zumeist nicht berücksichtigt. Das geplante Projekt möchte diesem Desiderat abhelfen und die genannten Disziplinen zusammenführen.

Ausgangspunkt dafür sind jüngere codicologische Befunde, die zeigen, dass die Gliederung nach dem Ständeprinzip nicht das einzige Anordnungskriterium der Sammlung ist. Im Zug der Herstellung des Buches wurden die Pergamentlagen umgeordnet, z.T. auseinandergetrennt und neue zusammengefügt; etliche Doppelblätter wurden zerschnitten und in anderer Anordnung wieder zusammengenäht. Die Rekonstruktion dieser herstellungstechnischen Vorgänge macht einen Gestaltungswillen sichtbar, der inhaltlich bislang unerforscht ist. Im geplanten Projekt werden einzelne Handschriftensegmente herausgegriffen und es wird nach dem Zustandekommen der Gruppierungen gefragt. Hierfür werden verschiedene Deutungsperspektiven eingenommen, indem die Autorcorpora in Hinblick auf überlieferungsgeschichtliche, historische, poetologische und rezeptionsgeschichtliche Relationen untersucht werden.

Diese Kontextualisierung wird grundlegende Erkenntnisse über den Sammlungsaufbau sowie das literaturgeschichtliche Wissen, das sich darin abbildet, hervorbringen. Des Weiteren sind Hinweise auf Vorlagen dieser Handschrift zu erwarten. Das Projekt leistet damit einen maßgeblichen Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Codex.

Die Ergebnisse werden im TEI-XML-Dateiformat angelegt, das den Grundstein für einen digitalen Gesamtkommentar des Codex Manesse legt. Sie werden zudem in einer von der Antragstellerin und dem Antragsteller gemeinsam mit den Projektmitarbeiter*innen verfassten Monografie veröffentlicht, die die textphilologische und literaturwissenschaftliche Untersuchung der ausgewählten Handschriftensegmente in Hinblick auf die Frage nach dem Sammlungsaufbau des Codex Manesse auswertet.

Neidhart im Codex Manesse (Dissertationsprojekt Claudia Maria Kraml)

 

Neidhart im Codex Manesse. Untersuchung zum poetischen Profil des Autors in Handschrift C unter Berücksichtigung des Blattverlustes und des Überlieferungskontextes

 

Hauptbetreuerin: Prof. Dr. Anna Kathrin Bleuler (Augsburg)

Nebenbetreuer: Univ.-Prof. Dr. Manfred Kern (Salzburg)

 

Ausgangspunkt der Dissertation ist die Tatsache, dass das Werk des Dichters Neidhart im Zuge der frühen altgermanistischen Editionsphilologie Werturteilen ausgesetzt war, die bis heute einen großen Einfluss auf die Rezeption des Dichters ausüben. Als Karl Lachmann und Moriz Haupt damals erstmals eine Sondierung und Beurteilung mittelhochdeutscher Lyrik unter u.a. ästhetischen und moralischen Wertvorstellungen vornahmen, wurde die Berliner Neidhart-Handschrift R zum ‚zuverlässigsten‘ Überlieferungsträger erklärt. Dem Corpus des Autors im Codex Manesse kam jedoch in seiner Gesamtheit bis in die Gegenwart keine hohe Aufmerksamkeit zu.

Angesichts dessen lautet die übergeordnete Forschungsfrage der Arbeit: Wie lässt sich das poetische Profil Neidharts in Hs. C beschreiben? Anders als in bisherigen Untersuchungen sollen hier wesentliche Charakteristika der Gedichte in seinem C-Corpus herausgearbeitet werden, wobei vor allem die singuläre Überlieferung in C einen hohen Stellenwert einnimmt. Das methodische Vorgehen umfasst dabei prinzipiell drei unterschiedliche Arbeitsschritte: Zunächst soll eine Rekonstruktion der im 17. Jahrhundert verlorengegangenen Strophen dieses Corpus vorgenommen werden, wobei die Parallelüberlieferung sowie drei Publikationen des mutmaßlichen ‚Blätterdiebs‘ Melchior Goldast als Hilfsmittel dienen. Der Hauptteil der Arbeit besteht in der Erstellung von Neidharts Autorprofil anhand seiner Lieder in C: Nach einer Auseinandersetzung mit theoretischen Überlegungen zum Autorkonzept im Mittelalter erfolgt eine Gruppierung der Lieder nach ihrer jeweiligen Parallelüberlieferung und eine Einordnung innerhalb der verschiedenen typologischen Systeme von Ruh (1986), Schweikle (1990) und Bleuler (2018). Der Fokus der Analyse liegt dabei auf jenen neun Liedern, die in C singulär erhalten sind, sowie bei den Mehrfachüberlieferungen auf den Besonderheiten der C-Versionen. Schließlich werden potentielle Motive für den gegebenen Sammlungskontext des Neidhart-Corpus ergründet, was zum einen die Anordnung des Œuvres zwischen zwei anderen Autoren, zum anderen aber auch die Reihenfolge der einzelnen Lieder betrifft.

Insgesamt wird angestrebt, einen Beitrag zur Erforschung dieses Werks – hin zu einem differenzierteren Neidhart-Bild – zu leisten sowie nationalästhetische Werturteile des 19. Jahrhunderts zu revidieren, die die germanistische Mediävistik bis in die Gegenwart prägen.

Akademien-Projekt "Österreichischer Bibelübersetzer"

"Österreichischer Bibelübersetzer"

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