Franz Xaver Loehle - Sänger, Musikpädagoge, Komponist. Eine Spurensuche

Franz Xaver Löhle auf einer Besetzungsliste der Königlichen Hofkapelle (1835, Ausschnitt)

In dieser Arbeit wird exemplarisch - in musikwissenschaftlicher, musikpädagogischer und sozialgeschichtlicher Hinsicht - ein Lebenslauf in der Zeit des Biedermeier aufgezeigt.

 

Forschungsfragen sind unter anderem:

  • Wie verlief Loehles Ausbildung zum Sänger?
  • Wie gestaltete sich seine Sängerkarriere in München und wie war er in das Musikleben der Stadt eingebunden?
  • Nach welchen Methoden unterrichtete er und welche Rolle spielte die von ihm gegründete Central-Singschule? 

Es gilt einen Mann wiederzuentdecken, der im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts ein geschätzter Bühnenkünstler war und zu den bedeutendsten Tenoristen seiner Zeit zählte. Immerhin war er der erste Münchner Florestan, der erste Max im "Freischütz" und der erste Masaniello in Aubers Oper "Die Stumme von Portici". Dazu war er pädagogisch aktiv, leitete die Central-Singschule, gab instruktive Werke heraus, leitete den Münchner Liederkranz und komponierte. Während die Musiklexika des 19. Jahrhunderts Franz Xaver Loehle noch erwähnen, taucht er heutzutage nur noch ganz am Rande in Publikationen über die Hochschule für Musik und Theater München und über die Münchner Singschule auf.

 

Am Anfang dieser Untersuchung, die ein Künstlerleben des Biedermeier exemplarisch nachzeichnet, stehen die Familiengeschichte und Loehles Kindheit, die er an seinem Geburtsort Wiesensteig, am Stift St. Moritz in Augsburg und während der Gymnasialzeit in München verbrachte. Bereits damals war er musikalisch aktiv, sang als Chorknabe im Gottesdienst und wurde mit Solopartien am Münchner Hoftheater betraut. Hier wäre zu untersuchen, mit welchem Repertoire er in Kirche und Theater in Verbindung kam, wer ihn ausbildete und welche Sänger seine Vorbilder gewesen sein könnten. Dass er ein talentvoller Bub war, steht außer Frage. Durch Zufall kam es zu einem Zusammentreffen  mit Friedrich I. von Württemberg in Wiesensteig, als dieser dort auf der Jagd war. Loehle sang dem Herrscher vor, was bedeutete, dass er das Stuttgarter Musikinstitut besuchen durfte und dort seine weitere Ausbildung erfuhr.

Dieses Konservatorium, das nur kurze Zeit existierte, ist bislang nur spärlich beschrieben worden, z. B. bei Sowa.

Diese wissenschaftliche Lücke könnte man, bezogen auf den Schüler Loehle, schließen bzw. verkleinern. Zusätzliche Fragen wären hier zu klären: Welche Rolle spielte Loehles Stuttgarter Lehrer Krebs für seine Entwicklung? Wollte er sich keine  Konkurrenz heranziehen und hielt seinen Schüler deshalb von anspruchsvolleren Bühnenrollen fern? Inwieweit war Loehle selbst als Unterrichtender in das Musikinstitut eingebunden? War diese Tätigkeit eventuell hinderlich für seine Entwicklung als Bühnensänger?

 

Loehles beruflichen Tätigkeiten wird in drei Bereichen dargestellt: a) Loehle als Sänger,b) Loehle als Lehrer und Organisator,c) Loehle als Komponist.

Als Sänger war Loehle in Stuttgart, Hannover und München aktiv, Gastspiele führten ihn nach Berlin, Wien, Karlsruhe, Mannheim und in andere Städte. Schon jetzt kann gesagt werden, dass Loehle, was seine Gastspieltätigkeit anbelangt, wesentlich aktiver war, als es die lexikalische Literatur vermuten lässt. Die Fragen, die in diesem Bereich zu klären werden: Wie waren der Sozialstatus und der Verdienst der Sänger? Gab es schon d e n Sänger oder nur einen Darsteller auf Sprech- und Opernbühne? Warum floh Loehle aus Stuttgart nach Hannover? Was machte in der Folge München für ihn so attraktiv? Welche Partien sang Loehle im Vergleich zu bedeutenden Kollegen seiner Zeit? Wie waren die Gastiermöglichkeiten? Auf welche Orchesterstärken und sonstigen Bühnengegebenheiten hatte er sich einzustellen? Als eine Orientierungsmöglichkeit ergibt sich eine zu erarbeitende Repertoireaufstellung derjenigen Bühnen an denen Loehle auftrat. Auch werden die Theater in Bayern untersucht, die Loehle reisetechnisch hätte erreichen können. Welche Rolle spielten Urlaub oder Theaterferien an den einzelnen Bühnen, wie wurden Gastspiele in den laufenden Spielbetrieb integriert? War Loehle aufgrund der unterschiedlichen Orchesterstärken gezwungen, bestimmte Partien bei Gastspielen auszuklammern? Hatte er für bestimmte Vorlieben? Welches Fach sang er in einer Zeit, in der sich dieser Terminus erst auszubilden begann? Wie entwickelte sich seine Stimme, nach welchen Kriterien wurden Stimmen und gesangliche Leistungen allgemein beurteilt?

Loehle arbeitete neben seiner Tätigkeit in der königlichen Hofkapelle und am Hoftheater als Gesanglehrer, wobei er Privatstunden gab und sich als Leiter der Central-Singschule betätigte. Zudem rief er den Liederkranz ins Leben und führte kurz ein Institut, das man als Konservatorium bezeichnen könnte. Central-Singschule und Konservatorium waren damit die Vorläuferanstalten der nachmaligen Musikhochschule und der Münchner Singschule. Hier soll auf  folgende Fragen eingegangen werden: Wie sah das Musikleben in München auf der Laien- oder der semiprofessionellen Ebene aus? Inwieweit unterschied sich die Münchner Situation von der in vergleichbaren Städten? Welche Musik wurde gepflegt? Gab es eine Konkurrenzsituation zwischen der Musikalischen Akademie und den auf musikalischem Gebiet höchst erfolgreichen Privatgesellschaften? Wie arbeiteten Liederkranz und Hoforchester zusammen? Welchen Stellenwert hatte der Liederkranz im Verhältnis zu anderen Gesangvereinen? Nach welchen Methoden wurden die Kinder in der Central-Singschule unterrichtet und wie arbeitete Loehle mit Münchner Volksschulen zusammen? Welches Repertoire wurde hier gepflegt und wie versuchte man den Erfolg von Loehles Methode nach außen zu tragen? Wie wurde Loehles "Elementar-Gesangsschule" zum Zeitpunkt der Einführung und später durch die im Vokalbereich tätigen Seminarlehrer beurteilt? Was unterscheidet Loehles Werk von anderen instruktiven Publikationen der Zeit?

Auch als Komponist und Bearbeiter war Loehle aktiv. Wie sah er sich in dieser Rolle, für wen und für welche Gelegenheiten schrieb er? Kann man Loehle, den Schulkameraden von Caspar Ett, der auch Johann Kaspar Aiblingers gut kannte, eine Nähe zum Cäcilianismus unterstellen? Wie beurteilte der Cäcilienverein Loehles Sakralmusik? Ein Werkverzeichnis Loehlescher Kompositionen ist an dieser Stelle geplant. Aus den Fragestellungen ist ersichtlich, dass es sich um eine fächerübergreifende Arbeit handelt, die neben Musikwissenschaft und Musikpädagogik auch die Disziplinen der Theater-, Kirchen- und Sozialgeschichte berührt.

 

Projektverantwortung:

Das Habilitationsverfahren wurde im Frühjahr 2023 erfolgreich abgeschlossen. 

Betreuer

Lehrstuhlinhaber
Musikpädagogik (Lehramt)

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