Armenier/Armenopolen und armenische Kirche in Czernowitz

Bericht und Foto von Magdalena Gräfe

 

Die Armenier wurden das erste Mal ungefähr im 7. Jahrhundert vor Christus erwähnt. Ihr Siedlungsgebiet befand sich in Kleinasien, auf dem Territorium der heutigen Türkei. Eigenen und auch ausländischen Quellen zufolge erklärte der König Trdat der Große (287–330) das Christentum zur Staatsreligion. Obwohl dieses Datum umstritten ist, betitelt man seither Armenien als das erste anerkannte christliche Land der Welt. Um das Christentum in Armenien zu etablieren, wurde 406 eine eigene Schrift entwickelt, mit der man die Bibel ins Armenische übersetzte. Durch seine Nähe zu Byzanz wurden die armenischen Christen stärker von byzantinisch-orthodoxen Elementen als von lateinischen Traditionen beeinflusst. Erst im 17. Jahrhundert sollte es, durch die Anerkennung des Papstes als geistiges Oberhaupt, zur Orientierung an der katholischen Kirche kommen.

 

Aufgrund ihres fruchtbaren Landes war die Geschichte der Armenier ein Zyklus von Angriffen und Besatzern, weswegen es immer wieder zu großflächig angelegten Auswanderungs-strömen kam. So siedelten vermutlich bereits im 11. Jahrhundert, nach Angriffen der Seldschuken, armenische Ankömmlinge in galizischen und bukowiner Gebieten an. Die Armenier, die eine der ältesten Minderheiten der Stadt Czernowitz waren, prägten, wie all die anderen Minderheiten nach ihnen, sehr früh das heterogene Bild der Stadt. Sie gehörten in der Bukowina zur gregorianischen Kirche, wobei das Zentrum der armenischen Siedler in Suczawa, im heutigen Rumänien, war.

 

Im multikulturellen Czernowitz, welches sich aus Rumänen, Ukrainern, Deutschen und Polen zusammensetzte, etablierten sich vor allem die Anhänger der armenisch-katholischen Kirche. Trotz dieses Zugeständnisses an die lateinische Christenheit, behielten sie die armenischen Bräuche und Sprache während der Messe bei. Wegen ihres christlichen Glaubens hatten die Armenier kaum Assimilationsprobleme, dennoch blieben sie ihrer alten Heimat treu. Durch ihre orientalische Architektur und Lebensart prägten sie zahlreiche Städte und Landschaften Ostmitteleuropas, vor allem in Polen-Litauen und den Ländern der Stephanskrone.

 

In Czernowitz genossen die Armenier rechtliche Autonomie; sie besaßen nicht nur eigene, häufig architektonisch eigenständige und bedeutsame Kirchen, sondern auch eine eigene Kirchenorganisation. Oftmals lebten sie ein wenig separiert in ihren eigenen Vierteln, besaßen große Privilegien vom König und verfügten über ihre eigenen sozialen und kulturellen Institutionen. In Czernowitz arbeiteten die Armenier vornehmlich als Händler, Kaufleute und Kunsthandwerker. Sie unterhielten überdies Handelsnetzwerke mit dem Iran, dem Osmanischem Reich, Russland, Mitteleuropa und Nordwesteuropa. Armenische Fernhandelskaufleute versorgten den europäischen Markt mit persischer Rohseide und Seidenprodukten und sicherten im Gegenzug dem Schah einen Zustrom an Edelmetallen, insbesondere an begehrtem Silber.

 

Aber wegen ihrer Verbindungen, ihrer weitreichenden Vernetzungen und ihrer Sprachkenntnisse agierten sie oft auch als polnische Diplomaten, Dolmetscher oder Gesandte im Dienste der Fürsten oder Könige. Dadurch waren sie für die Herrscher und Landesherren unentbehrlich, konnten sich durch ihren Einfluss ihre Privilegien sichern und so ihren Gemeinden zu Wohlstand verhelfen.

 

© Universität Augsburg

Seit dem 18. Jahrhundert kam es immer mehr zu einer Polonisierung der Armenier in Galizien und der Bukowina, was besonders deutlich daran wird, dass in Czernowitz die Armenier zusammen mit den Polen für den Landtag wählten. Außerdem sprachen immer mehr Armenier Polnisch und passten ihre Nachnamen denen ihrer polnischen Mitbürger an. Dadurch verschwanden die Armenier zunehmend aus Volkszählungen und wurden zu Polen.

 

1875 wurde eine armenisch-katholische Kirche in Czernowitz gebaut, deren Architektur starke romanische und byzantinische Einflüsse aufweist. Die sogenannte Peter- und Paul-Kirche in der Ukrainska-Straße wurde bis 1940 als armenische Kirchengemeinde genutzt. Heute dient sie als Konzertsaal für Orgelkonzerte der Philharmonie und soll die beste Akustik dafür haben.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg verließen die meisten polnischen Armenier die von der Sowjetunion besetzten Gebiete und siedelten sich weiter westlich an. Noch heute leben viele Armenier in Polen und der Ukraine und halten sich dort als eine Minderheit, welche immer noch der armenischen Kirche untersteht, aber mittlerweile kaum noch ihre eigene Sprache spricht.

 

 

Literatur

  • Martin Mutschlechner:Am Rande des Reiches: Galizien und Bukowina, http://ww1.habsburger.net/de/kapitel/am-rande-des-reiches-galizien-und-bukowina (Stand 11.07.2017)
  • Stefan Troebst: Imperiale Minderheit? Armenier in der polnisch-litauischen Adelsrepublik und der Habsburgermonarchie (15.-19. Jahrhundert), http://www.hsozkult.de/event/id/termine-9903 (Stand: 13.07.2017)
  • Zvi Yavetz:Erinnerungen an Czernowitz: wo Menschen und Bücher lebten, München 2008.
  • Adam Wandruszka/ Peter Urbanitsch (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Band III. Die Völker des Reiches, Wien 1980.
  • Adam Wandruszka/ Peter Urbanitsch (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Band IV. Die Konfessionen, Wien 1995.
  • Erzherzog Rudolf (Hrsg.): Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild. Band 20. Bukowina, Wien 1898.

 

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