Stepan Bandera Denkmal

von Alexandra Rudnew

 

Stepan Bandera (*01.01.1909 in Staryj Uhrynim, Galizien – †15.10.1959 in München) war ein ukrainisch-nationalistischer Politiker und Anführer der OUN (Organisation Ukrainischer Nationalisten). Bandera ist eine sehr umstrittene historische Figur, die bis heute polarisiert. In Polen, Russland und Israel gilt er als Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher. In der Ukraine hingegen, vor allem in der Westukraine, wird er als Unabhängigkeits- und Freiheitskämpfer gefeiert und zum Nationalhelden erhoben.

 

Das Denkmal wurde 2007 fertig gestellt und befindet sich auf dem Kropyvnyts’koho Platz. Die Statue ist insgesamt sieben Meter hoch und zeigt Stepan Bandera in voller Größe. Die Figur ist vier Meter groß und steht auf einem drei Meter hohen Sockel. Hinter der Statue rangt der sogenannte Triumphbogen 30 Meter in die Höhe. Dieser steht auf vier Säulen. Jede Säule symbolisiert eine Epoche der ukrainischen Geschichte. Die erste Säule steht für die Fürstenzeit, die Zweite für die Zeit der Kosaken, die dritte für die Periode der ukrainischen Volksrepublik und der westukrainischen Volksrepublik, und schließlich die vierte für die Moderne und die unabhängige Ukraine.

 

Ab dem Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine und bis in das Jahr 2014 wurden 46 Denkmäler und 14 Gedenktafeln zu Ehren von Stepan Bandera errichtet. Es entstanden nach und nach immer mehr Denkmäler, wobei gewisse Hochphasen erkennbar sind. Die erste Hochphase war kurz nach der Unabhängigkeitserklärung, Anfang der 1990er Jahre, die zweite im Zeitraum von 2005-2010, als von staatlicher Seite die OUN/UPA als Unabhängigkeitskämpfer anerkannt worden waren und schließlich 2011 und 2012, was eventuell als Protest gegen das prorussische Janukowitsch-Regime betrachtet werden kann.     

 

Kryjivka (Криївка)...

... ist der Name eines/einer, im Jahr 2007 von drei jungen Geschäftsmännern gegründeten Restaurants/Kneipe in der Innenstadt Lvivs, das/die vor allem bei Touristen beliebt ist. Der Name stammt aus der Zeit des Partisanenkampfes der UPA (Ukrainische Aufständische Armee) und lässt sich mit „Versteck“ übersetzen. Die Ingenieursabteilung der UPA konstruierte geschätzt 10.000 Verstecke beim Kampf gegen die Sowjetunion. Sie wurden für militärische Zwecke, zur medizinischen Versorgung und als Unterschlupf für die Partisanen genutzt.

 

Nach dem Vorbild eines Partisanenverstecks ist auch das Restaurant gestaltet. Es befindet sich wie eine echte Kryjivka unter der Erde, an den Wänden hängen Gewehre, es wird streng traditionell-ukrainisches Essen serviert, UPA-Widerstandslieder angestimmt und Eintritt erhält nur derjenige, der das Codewort kennt: Слава Україні! - Героям слава! [Slava Ukrayini! Heroyam slava!]; übersetzt: Ruhm der Ukraine! – Den Helden den Ruhm! Im Großen und Ganzen handelt es sich hierbei um eine humoristisch inszenierte Widerstandsnostalgie.   

  1. Öffnungszeiten: Montag - Sonntag 00:00 - 24:00  
  2. Adresse: irgendwo am Rynok Platz 
  3. Telefon: +38 (095) 260 45 46          
  4. Webseitewww.kryjivka.com.ua  

 

Pravyj Sektor...

...ist ein ehemaliges Kunst-Café, das nach der Revolution im Jahr 2014 seinen Namen und seine Dekoration geändert hat. Heute ist es ein Treffpunkt für Aktivisten des Pravyj Sektor - Rechter Sektor, wobei es, nach eigener Aussage, allen offensteht. Das Café ist in den traditionellen Farben der UPA und des Rechten Sektors, schwarz-rot, dekoriert. Die Innenausstattung besteht aus kleinen Holztischen, Fässern und Molotowcocktails. Inwieweit dieses Café tatsächlich mit der rechtsextremen Partei Pravyj Sektor in Verbindung steht und ob es tatsächlich als deren Treffpunkt fungiert, ist nicht klar nachvollziehbar.

Pravyj Sektor ist eine rechte Partei mit paramilitärischen Einheiten, die nach den Majdanprotesten aus der rechtsextremen Partei Swoboda hervorgegangen ist. Den Aktivisten des Rechten Sektors wird vorgeworfen, die Proteste auf dem Majdan zur gewaltsamen Eskalation gebracht zu haben.

  1. Öffnungszeiten: Montag - Sonntag 10:00 - 23:00  
  2. Adresse: Лесі Українки [Lesi Ukrainky] Str. 15   
  3. Telefon:  +380 322 355 367   
  4. Webseitenwww.art-11.lviv.ua , www.kryjivka.com.ua 

 


Historische Einbettung


Zwischenkriegszeit

„Während nach dem Ersten Weltkrieg der größte Teil der Ukraine sowjetisch wurde, fielen die Bukowina an Rumänien, Transkarpatien an die Tschechoslowakei und Galizien, das größte und wichtigste Gebiet, sowie das westliche Wolhynien an Polen. Im polnischen Nationalstaat wurden die Ukrainer nicht als eigenständige Nation anerkannt und unterlagen einer Politik der Polonisierung.“
In dieser Zeit formierte sich eine Bewegung, die 1929 zur Partei wurde, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, eine ukrainische Staatsbildung durchzusetzen – die OUN (Organisation Ukrainischer Nationalisten). In dieser Zeit stellten die Ukrainer ethnisch eine Mehrheit in der heutigen Westukraine, waren jedoch gegenüber den Polen benachteiligt. Die OUN selbst war in ihren Grundsätzen eine autoritäre nationalistische Partei, ihr Gefolge bildete jedoch ein breites Spektrum ab; das Vereinende war der Wunsch nach einem unabhängigen Ukrainischen Nationalstaat. 1939 wurde auch die Westukraine von der Sowjetunion besetzt. Auch gegen die Sowjetischen Besatzer zogen sie in den Partisanenkampf.

 

Kriegszeit

Das nationalsozialistische Deutschland besetzte die Ukraine; diese wurde zu einem der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkrieges. Dabei kamen 6,5 bis 7,5 Millionen Personen der Ukrainischen Bevölkerung ums Leben. In der Hoffnung auf eine unabhängige Ukraine kollaborierte die OUN sporadisch mit den Nationalsozialisten. Dabei machten sich tausende OUN/UPA-Mitglieder an Kriegsverbrechen gegen Polen, Juden, Russen und andersdenkende Ukrainern schuldig. Die Hoffnung auf ein Zugeständnis seitens der Deutschen zur ukrainischen Staatsbildung wurde schnell zerschlagen. Parteiführer, inklusive Stepan Bandera, wurden inhaftiert und kamen ins Konzentrationslager. 1942 bildeten Angehörige der OUN die Ukrainische Aufstandsarmee (UPA) und begannen den Partisanenkampf gegen die Sowjetunion, der bis in die 1950er Jahre andauerte.    

 


Sowjetzeit

Die Aufarbeitung der eigenen Geschichte fand in der gesamten Sowjetunion nicht statt. Stattdessen wurde von sowjetischer Seite die OUN und mit ihr Bandera einzig als Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher denunziert und als ein ganz klares Feindbild gezeichnet. Gleichzeitig und proportional zur Denunzierung seitens der Sowjetunion bildeten sich Mythen, und die Glorifizierung der OUN als freiheitskämpferische Partei setzte im Volksmund ein. Die Sowjetunion setzte auf Russifizierung, ließ die Opposition, die für das Erhalten der Ukrainischen Sprache und Kultur einsetzt, verhaften und zu Lagerhaft verurteilen. Dies führte dazu, dass die Opposition sich allmählich zu einer Unabhängigkeitsbewegung entwickelte.

 

Post-Sowjet-Zeit

Nach Zusammenfall der Sowjetunion erlangte die Ukraine endlich die Unabhängigkeit – bei einem Referendum sprachen sich 90 Prozent der Bevölkerung für eine unabhängige Ukraine aus. Erinnerungspolitisch war die sowjetische Erzählweise vom „Großen Vaterländischen Krieg“ noch immer vorhanden, bei gleichzeitigem Versuch, die Untergrundkämpfer zu rehabilitieren und das Narrativ des heldenhaften Unabhängigkeitskämpfers in das geschichtliche Bewusstsein zu integrieren. Sowohl Russisch als auch Ukrainisch waren Amtssprachen, territoriale Sprachgrenzen gab es de facto nicht, da unter anderem auch ein großer Teil der Bevölkerung bilingual war.

 

1994 wurde der Zentrist Leonid Kutschma als Staatsoberhaupt gewählt. Dieser erklärte Wohlstand und Stabilität für das Land zu seinen politischen Hauptthemen. In seiner Politik näherte er sich der Europäischen Union an und pflegte ebenfalls die Beziehungen zu Russland. Allerdings kam es immer wieder zu Korruptionsskandalen und zur Stärkung der Oligarchie, was letztlich, ausgelöst durch den Wahlbetrug 2004, in der Orangen Revolution mündete. Der proeuropäische Wiktor Juschtschenko kam an die Macht, schaffte allerdings nicht grundlegende Reformen durchzusetzen, und setzte stattdessen auf Propagierung des nationalen Narratives. Schließlich verlor er 2010 die Wahlen und der prorussische Wiktor Janukowytsch wurde Präsident.

 

Euromajdan

2013 brach der damalige Präsident Janukowytsch die Vorbereitungen zur Unterzeichnung über das Assoziierungsabkommen mit der EU ab. Daraufhin demonstrierten Jugendliche und forderten den Präsidenten auf, seine Entscheidung zu revidieren. Der Protest wurde brutal von der Staatsmacht zerschlagen. Es schlossen sich die Veteranen dem Protest an und ihnen folgten weitere Bevölkerungsgruppen, bis Hunderttausende gegen Korruption und für Demokratie auf die Straße gingen. Der Protest mündet in einer Revolution, Janukovytsch floh nach Russland, es folgten Neuwahlen.

 

Während der Proteste bedienten sich viele Demonstrierende der OUN/UPA-Symbole; neben einer Menge ukrainischer Fahnen waren auch UPA-Fahnen, Bilder von Bandera und anderen Anführern zu sehen. In einigen Gegenden wurden übrigge-bliebene sowjetische Denkmäler, oft von Lenin, niedergerissen.

Kurz darauf wurde die Krim annektiert und der Krieg im Osten der Ukraine brach aus. Das Erscheinen von OUN/UPA-Symbo-len und Darstellungen von Bandera wurden wiederum von der russischen Regierung benutzt, um die Majdanproteste und die daraus resultierende Regierung in Kiev als faschistisch zu denunzieren.  

      
Heute

Die Ästhetik der OUN/UPA, ihre Anführer und Symbole sind Teil der Pop-Kultur geworden. Auf Konzerten ertönt der Ausspruch, Ruhm der Ukraine, Ruhm den Helden, man liest ihn auf Speisekarten von hippen Restaurants, schwarz-rot dekorierte Lokale finden sich in den Straßen, einhergehend mit Anti-Putin-Plakaten, die als Souvenirs an Touristen verkauft werden – was nicht bedeuten soll, dass es komplett an seiner politischen Bedeutung verloren hat. Der Protest ist in den Alltag integriert worden, denn der Krieg und die Besatzung in den östlichen Gebieten des Landes ist weiterhin gegenwärtig.     

 

 

Internetquellen

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