Das Bahai-Weltzentrum und der Schrein des Bab in Haifa

Beitrag von Marina Gaiser

 

Eines der beliebtesten Postkartenmotive von Haifa sind sicherlich die eindrucksvollen und unübersehbaren Gartenanlagen des administrativen und geistigen Weltzentrums der Bahai, die sich mit ihrer vergleichsweise jungen universalen Religion für eine Einheit der Menschheit in Vielfalt einsetzen und deren Religion nach ihrem Religionsstifter Baha’ullah benannt ist.

 

 

Entstehung und Entwicklung der Bahai-Religion

Der Begriff Bahai (auch Bahá'í geschrieben) bezeichnet Anhänger der Bahai-Religion. Die Bahai-Religion entwickelte sich aus dem schiitischen Islam heraus in der Region des heutigen Iran. Grundlage der Bahai-Religion bildet die vorausgegangene Bab-Religion, die von Sayyid Ali Muhammad (1819-1850) begründet wurde, der zunächst die baldige Ankunft des im schiitischen Islam erwarteten Imam Mahdi ankündigte. Seine Ankunft sollte zur weltweiten Durchsetzung des „reinen“ Schiismus führen.  Ali Muhammad, auch bekannt als Hazrat-i Bab, sah sich jedoch bald selbst als der erwartete Mahdi und verfasste eigene Werke. Gewaltsame Aufstände und die Verfolgung der Anhänger des Bab um 1848 führten jedoch zu einem raschen Ende der babistischen Ära und zur Hinrichtung des Bab. Der Bab sprach sich zuvor noch für Mirza Yahya als seinen Nachfolger aus, dieser war jedoch noch zu jung für die Leitung der Gemeinde, weshalb diese Aufgabe seinem älteren Bruder Mirza Husain Ali Nuri zuteilwurde. Husain Ali Nuri übergab die Leitung jedoch nicht an seinen jüngeren Bruder, sondern beanspruchte diese für sich. Er sah sich selbst als der vom Bab angekündigte Man yuzhiruhu’llah, nannte sich fortan Baha’ullah und verfasste zahlreiche prophetische Schriften, teils während seiner Gefangenschaft. Baha’ullah wurde von der osmanischen Führung 1868 nach Akko verbannt, wo er 1892 starb. Die Leitung der Bahai vermachte er an seinen Sohn Abdu’l-Baha (1844-1921), der unter anderem durch zahlreiche Reisen maßgeblich zur Verbreitung der Bahai-Religion beitrug, für seine Toleranz Andersgläubigen gegenüber bekannt war und für seine humanitären Verdienste während des Ersten Weltkrieges sogar zum „Knight of the British Empire“ geadelt wurde.

 

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden in den USA, Frankreich, England, Deutschland und mehreren asiatischen Ländern Gemeinden der Bahai. Nach Abdu’l-Bahas Tod wurde dessen Enkel Shoghi Effendi (1897-1957) Oberhaupt der Bahai. Als er jedoch überraschend verstarb und keine Einigung für einen Nachfolger zustande kam, einigten sich die Räte des Universalen Hauses der Gerechtigkeit der Bahai 1963 darauf, dass kein weiterer Hüter der Religion ernannt werden sollte. Seitdem konzentriert sich das Universale Haus der Gerechtigkeit der Bahai vor allem auf die Etablierung untergeordneter Bahai-Institutionen und die Verbreitung der Religion. Weltweit gibt es heute etwa acht Millionen Anhänger der Bahai-Religion, in Deutschland leben etwa 6.000 Bahai. Vom schiitischen Islam werden die Bahai bis heute nicht anerkannt, sie werden im Iran immer noch verfolgt und genießen keine Religionsfreiheit.

 

Lehre und Praxis

Während der Babismus noch eher am schiitischen Islam orientiert ist, so unterscheidet sich die Lehre der Bahai hiervon doch gänzlich. Die Bahai-Religion versteht sich selbst als die Vollendung aller bisherigen Universalbekenntnisse. Die Bahai glauben dabei an das Prinzip der fortschreitenden Gottesoffenbarung: für sie ist das Göttliche für den Menschen nicht direkt erkennbar, sondern es offenbart sich immer wieder aufs Neue in spirituellen Persönlichkeiten oder göttlichen Gesandten zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Kulturen. Dieser Reihe von Gesandten wird neben dem jüngsten, Baha’ullah, z.B. auch Moses, Jesus, Mohammad, Buddha und Krishna zugesprochen. Diese Sendung der göttlichen Offenbarer endet für die Bahai jedoch nicht mit Baha’ullah, sondern für jede Geschichtsepoche wird ein weiterer Offenbarer wiederkehren und die göttlichen Lehren verbreiten, die dem jeweiligen Kontext der Zeit entsprechen. Für die Bahai haben alle Religionen denselben Ursprung, ihre Inhalte unterscheiden sich nur aufgrund des unterschiedlichen historischen Kontexts der jeweiligen Entstehungszeit. Die Bahai-Religion sieht sich selbst somit auch als eine alle anderen Weltreligionen integrierende Religion an. Andere Religionen werden bedingungslos anerkannt und ein interreligiöser Dialog ist für die Bahai von großer Bedeutung. Das wichtigste Werk für die Bahai ist das Kitab al-Aqdas, das heiligste Buch, das etwa 1875 entstand.

 

Die Bahai setzen sich für eine harmonische Beziehung von Religion und Wissenschaft ein. Sollten ihre religiösen Lehren etwas enthalten, dass konträr zur Wissenschaft steht, so sollen sie revidiert werden. Die Lehren der Bahai sind insgesamt sehr sozial ausgerichtet: Gleichberechtigung auf allen Ebenen, Nächstenliebe, Barmherzigkeit und das Streben nach Gerechtigkeit und Frieden sind von großer Bedeutung. Jedoch ist die aktive Teilhabe an der Politik untersagt, da diese sich als unzulänglich erwiesen habe und keinen Nutzen für die von den Bahai angestrebte friedliche föderale Weltgemeinschaft habe. Viele Bahai engagieren sich stattdessen aber auf UNO-Ebene und in NGOs. Das Ziel der Offenbarung ist für die Bahai eine Einheit der Menschheit in ihrer Vielfalt. Eine bahaistische Theokratie wird nicht angestrebt, es sollen jedoch die Lehren des Baha’ullah weitergegeben werden.

 

Die Ehe eines Bahai mit einem Andersgläubigen ist zwar möglich, jedoch sollte die Eheschließung selbst nach den Regeln der Bahai erfolgen. Kinder werden im Bahai-Glauben erzogen und können sich dann mit 15 Jahren selbst für einen offiziellen Beitritt entscheiden. Homosexualität ist nicht erwünscht, da dies für die Bahai dem Zweck der Ehe widerspricht. Von zentraler Bedeutung für den Lebensalltag der Bahai sind zudem tägliche Gebete und ein Fastenmonat, darüber hinaus gibt es jedoch kaum vorgeschriebene Riten. Der Konsum von berauschenden Produkten wie Drogen oder Alkohol ist verboten, ebenso Glücksspiel sowie vor- und außerehelicher Geschlechtsverkehr.

 

Um weitere religiöse Konflikte in Israel, wo ihr Weltzentrum und mehrere heilige Stätten liegen, zu vermeiden, hatte bereits Baha’ullah beschlossen, dass sich die Bahai nicht dauerhaft in Israel niederlassen dürfen. Zudem widerspräche eine Bevölkerungskonzentration von Bahai rund um deren Heiligen Stätten ihrem universalen Anspruch. Ein Abkommen Shoghi Effendis mit dem Staat Israel von 1948 besagt zudem, dass Israelis, die sich der Bahai-Religion anschließen, aus Israel auswandern müssen. Im Gegenzug hierfür erhalten die Bahai eine Schutzgarantie für ihre heiligen Stätten und administrativen Gebäude in Israel.

 

Die kollektive Führung der Bahai besteht aus 9 Männern, der Sitz dieses obersten Gremiums befindet sich in Haifa. Auf Landesebene gibt es nationale Geistige und auf Gemeindeebene örtliche Geistige Räte.

Das Jahr wird von den Bahai in 19 Monate à 19 Tage eingeteilt. Die Zahl 9 ist von großer Bedeutung, sie gilt als mystischer Zahlenwert des Namens Baha und als Symbol für Vollendung und Einheit. Eine Gemeinde muss daher auch immer mindestens 9 Personen umfassen und die Andachtshäuser haben in der Regel 9 architektonische Ausrichtungen. Ebenso von großer Bedeutung ist die Zahl 19, die an den Bab und seine ersten 18 Anhänger erinnert. 

 

Weltzentrum der Bahai in Haifa

 

Abb. 1: Blick von den oberen Terrassen auf die Gärten und den Schrein des Bab mit der goldenen Kuppel.

 

Israel und besonders Haifa und Akko haben aufgrund der Geschichte der Bahai für sie bis heute eine ganz besondere Bedeutung. Hier verbrachte Baha’ullah seine Jahre der Verbannung und hier sind die Gebeine des Bab und der religiösen Oberhäupter begraben.

 

Das Grab des Baha’ullah selbst befindet sich heute in Akko, umgeben von kunstvollen Gartenanlagen.

 

In Haifa befinden sich die Bahai-Gärten des Weltzentrums der Bahai, die von eindrücklicher und kunstvoller Landschaftsarchitektur zeugen. Während der Zeit seiner Verbannung besuchte Baha’ullah mehrmals Haifa, wo ihm schließlich die „Tafel vom Karmel“ offenbart wurde, die zur Errichtung des Weltzentrums der Bahai und der Beisetzung der Gebeine des Bab an eben jenem Ort führte. Das Mausoleum des Bab wurde erst nach Baha’ullahs Tod 1909 von seinem Urenkel fertig gestellt, womit sich sein Wunsch nach einem Weltzentrum mit dem Bau des prachtvollen Schreins des Bab und dem Anlegen der umliegenden ausgedehnten Gärten erfüllte. Im Jahre 1953 wurde der Schrein des Bab mit Granit, Marmor und der goldenen Kuppel erweitert. Der Tempel selbst ist in einem Neuneck angelegt, das die Vielfalt der Religionen verdeutlichen soll.

 

Die „Hängenden Gärten“ wie sie auch genannt werden, die sich mit 19 Terrassen an die Hänge des Karmel-Berges schmiegen, waren bereits seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts geplant, wurden jedoch erst in den 1990er Jahren verwirklicht und 2001 schließlich fertig gestellt. Dabei wurden sie möglichst umweltfreundlich und in enger Zusammenarbeit mit der israelischen Naturschutzbehörde angelegt. Die Bahai-Gärten bilden eine grüne Oase mitten in der Stadt und gelten als Ort des Friedens und der Ruhe.

 

Des Weiteren befinden sich in den Gärten das Universale Haus der Gerechtigkeit, in dem die 9 Obersten Räte der Bahai tagen, das Internationale Archiv der Bahai, das 1957 fertig gestellt wurde und heute originale Schriften des Bab, Baha’ullahs, Abdu’l-Bahas und Shoghi Effendis beherbergt, sowie das Zentrum für das Studium der Heiligen Texte.

 

Besuche von Bahai im Großraum von Akko sind von der Bahai-Administration auf 3 Tage beschränkt. Somit soll vermieden werden, dass bei den israelischen politischen und religiösen Autoritäten der Eindruck entsteht, die Bahai würden die Besuche in Israel zur Verbreitung ihres Glaubens bei der israelischen Bevölkerung nutzen. Ausgenommen hiervon sind von der Bahai-Administration organisierte 9-tägige Pilgerreisen.

Gepflegt werden die Gärten von freiwilligen Bahai, die hierfür aus allen Teilen der Welt für einige Monate nach Haifa kommen und diese Tätigkeit als eine Ehre betrachten. Seit 2008 gehören die Bahai-Gärten zum UNESCO-Weltkulturerbe und werden wöchentlich von bis zu 10.000 Menschen besucht, die mehrheitlich keine pilgernden Bahai, sondern in- und ausländische Touristen sind.

 

 

Bahai-Gärten

 

Öffnungszeiten: täglich 9.00-12.00 Uhr die Inneren Gärten, täglich 9.00-17.00 Uhr die Äußeren Gärten.

 

Öffentliche, kostenlose Führungen finden täglich, außer mittwochs, in Englisch, Hebräisch und Russisch statt. Ein Zeitplan kann online eingesehen werden:
https://www.ganbahai.org.il/en/tours/#currenttimetable.

 

 

Literatur

  • Dehn, Urlich: Bahai. In: Harald Baer; Hans Gasper; Johannes Sinabell; Joachim Müller (Hrsg.): Lexikon nichtchristlicher Religionsgemeinschaften. Freiburg 2009.
  • Hutter, Manfred: Handbuch Bahai’i. Geschichte - Theologie - Gesellschaftsbezug. Stuttgart 2009.
  • Niehaus, Ita: Einheit der Menschheit - Die Gärten der Baha’i in Haifa. (23.07.2011) Online verfügbar unter: <http://www.deutschlandfunkkultur.de/einheit-der-menschheit.1278.de.html?dram:article_id=192811> (zuletzt aufgerufen am 16.11.2017).

 

Abbildungen

Abb. 1: Marina Gaiser, © 2018.

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