Jericho/Jordan: Die Taufstelle Jesu als Handlungsort der Evangelien und Wallfahrtsort in Geschichte und Gegenwart

Beitrag von Johanna Zill

 

„Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kom­men“.

 

So berichtet das Evangelium nach Matthäus im dritten Kapitel von der Taufe Jesu, welche den Beginn seines öffentlichen Wirkens markierte und deshalb ein zentrales Ereignis in der Geschichte des Christentums darstellt. Auch für den jüdischen Leser wird durch die bewusst gewählte Metapher der „Taube“ als Symbol für den Geist Gottes klar, dass es sich nicht um die Taufe eines gewöhnlichen Menschen, sondern um die des Messias (= der Gesalbte) handelt. Der Evangelist Matthäus gibt uns, wie auch die Evangelisten Lukas und Markus, keinen Hinweis auf den genauen Ort des Taufgesche­hens. Die Evangelien haben nur ein untergeordnetes Interesse an geografischen und zeitlichen Angaben. Die Bibel bietet also nur vage Ansatzpunkte. Der einzige Evangelist, der einen Ort nennt, ist Johannes: Dies geschah in Betanien, auf der an­deren Seite des Jordan, wo Johannes taufte (Joh 1,28). Biblisch gesehen spricht wohl viel für das Ostufer des Jordan als Taufort von Jesus von Nazareth. Auch der Hinweis im Matthäusevangelium, dass Jesus aus Ga­liläa an den Jordan kam, deutet laut Archäologen auf das Ostufer hin, da der Pilgerweg der Juden aus Galiläa wohl aus rein topographischen Gründen östlich des Jordan entlanglief. Das Fußbodenmosaik von Madaba aus dem sechsten Jahrhundert, welches die älteste Landkarte der Christen­heit darstellt, verzeichnet einen Ort auf der westlichen Seite des Jordan, der allerdings nicht direkt am Fluß liegt. Die genaue Lokalisierung der Taufstelle ist unter Bibelwissenschaftlern strittig. Johannes der Täufer wirkte einerseits im Judäischen Bergland, aber auch östlich des Jordans, im Gebiet von Peräa, welches heute zu Jordanien gehört. Der Grund dafür, dass die tatsächliche Taufstelle nicht markiert wurde, ist vermutlich der, dass das Interesse an dem Ereignis erst in späterer Zeit aufkam. Heutige Pilger können also zwischen mehreren Orten wäh­len: „Qasr al-Yahud“ am Westufer des Jordan, „Al-Maghtas“ in Jordani­en oder das „Yardenit“ am See Genezareth.

 

Yardenit

Bei diesem Ort als mögliche Taufstelle Jesu sind sich die Forscher relativ einig darüber, dass er historisch nicht relevant ist. Trotzdem strömen jährlich hunderttausende Menschen dorthin, um sich taufen zu lassen. Unter den Besuchern sind überwiegend freikirchliche Christen und Bap­tisten, die das sogenannte „israelische Lourdes“ zu einer der meistbesuchten Stätten des Landes machen. Besonders für die Baptisten ist die Erwachsenentaufe als Bekenntnis zum christlichen Glauben und damit als Fortführung der neutestamentlichen Tradition zentral. Die über 500.000 Besucher pro Jahr scheint es nicht zu stören, dass das Yardenit als Taufort quasi ausge­schlossen wurde.

  • Öffnungszeiten:
    • März-November: Sa-Do: 8.00-18:00 (Taufen bis 17:00) Fr: 08-16:00 (Taufen bis 15:00)
    • Dezember- Februar: Sa-Do: 8.00-17:00 (Taufen bis 16:00) Fr: 08-16:00 (Taufen bis 15:00)

Qasr al-Yahud (Israel)   

Ein möglicher Ort befindet sich laut Tradition beim griechisch-orthodo­xen Johanneskloster auf der Westseite des Jordans, wo Johannes der Täu­fer nach israelischer Lesart damals wirkte. Bereits in den ersten Jahrhun­derten nach Christus war diese Stelle am Jordan ein beliebter Wallfahrts­ort für Gläubige, die dorthin reisten, um sich taufen zu lassen.

 

Der Name „Qasr al-Yahud“ bedeutet „jüdische Festung“. Es ist nicht ganz klar, wo­her dieser Name kommt. Er könnte vom festungsartigen Kloster Johan­nes des Täufers abgeleitet sein. Eine weitere Vermutung ist, dass der Name die Stelle markiert, an der die Landnahme der Israeliten in Kanaan begann.

 

Es wird vermutet, dass sich im vierten Jahrhundert die ersten Mönche dort ansiedelten, um den Pilgern eine Unterkunft und Schutz bieten zu können. Ihnen wurde im Auftrag von Kaiser Anastasios (491-518) eine Kirche gebaut und Kaiser Justinian (527-565) stiftete eine Zisterne, die heute noch vor dem Eingang des Klosters zu sehen ist. Die Klosterkirche Johannes des Täufers ist nach der Kirche der Geburt Christi in Bethle­hem und der Grabeskirche in Jerusalem die wichtigste Kirche für die orthodoxen Christen in Israel.

 

Vom Kloster aus gelangt man über Trep­penstufen zum Fluss hinunter, wo eine große hölzerne Plattform errichtet wurde, um den Zugang für die vielen Touristen zu ermöglichen, die im Jordan getauft werden möchten. Es wurden auch Umkleidemöglichkeiten für die Täuflinge eingerichtet. Unten am Flussufer findet seit 1985 je­weils am letzten Oktobersonntag ein Gottesdienst statt, der von den Franziskanern gestaltet wird.

 

Am 18. Januar findet ebenfalls ein Gottes­dienst an der Taufstelle statt, der vom Orthodoxen Patriarchat gestaltet wird. Für die Abhaltung von Gottesdiensten stehen zwei Gebäude zur Verfügung. Sowohl für die griechisch-orthodoxen Christen als auch für die römisch-katholischen. Von einer Plattform aus hat man eine gute Sicht auf das andere Ufer des Jordan und auf die neu errichtete Kirche Johannes des Täufers.

 

Im Hintergrund tauchen weitere Kirchen und Ka­pellen auf, welche sich jedoch schon auf jordanischem Staatsgebiet be­finden. Von Jerusalem aus ist Qasr al-Yahud mit dem Auto in rund 45 Minuten zu erreichen.

  • Adresse: Jordan Valley Region, Jerusalem, Israel (Givat Ram) 

Al-Maghtas (Jordanien)

Eine weitere Stelle am Jordan, die als Taufstelle in Frage kommt, befin­det sich am gegenüberliegenden Ufer, auf jordanischer Seite. Archäolo­gische Forscher fanden dort im Jahr 1996 zahlreiche Bauten aus römi­scher und byzantinischer Zeit, die auf eine frühe christliche Verehrung schließen lassen. Beide Länder, Israel und Jordanien, konkurrieren also um die Pilgerströme an eine der heiligsten Stätten des Christentums. Die Evangelien selbst sind sich nicht einig, wo genau Johannes der Täufer vor rund zwei Jahrtausenden wirkte.  So kommt es, dass beide Länder die Taufstelle Jesu für sich reklamieren können. Der Fluss markiert die Grenze zwischen den Staaten und eine Kontaktaufnahme zur anderen Taufstelle ist verboten. Schon vor dem Jahr 2000 wurde hier begonnen, die relevanten Stellen zu erforschen und sie für Touristen zugänglich zu machen. Zum Ausbau gehörten behindertengerechte Zugänge und Schat­tenplätze am Fluss. Seit diesem Zeitpunkt stieg nach jordanischen Anga­ben die Zahl der Besucher stark an. Israel dagegen interessierte sich erst kurz vor dem Besuch von Papst Johannes Paul II. im März 2000 für eine Öffnung des Gebietes um Qasr al-Yahud. Mittlerweile hat der Staat al­lerdings mehrere Millionen Schekel in das Projekt investiert und nach langen Jahren der Planung und des Ausbaus der Infrastruktur im Jahr 2011 fertig gestellt. Im Jahr 2015 entschied die UNESCO, dass die Taufstelle Jesu in Jordanien als landschaftlich und kulturell bedeutsame Stätte zum Weltkulturerbe erklärt werden soll. Die Kirchenführer in der Region haben wenig Zweifel an der Authentizität der Stätte am jordani­schen Flussufer zu haben. Dreizehn Patriarchen und Bischöfe haben sich für die Tradition am Ostufer ausgesprochen. Die katholische Kirche hat sich zur Frage nach dem wahren Taufort Jesu bisher nicht geäußert. Al­lerdings besuchten bisher drei Päpste bei ihren Besuchen im Heiligen Land die Taufstelle in Jordanien, nicht die israelische. Auch Papst Fran­ziskus betete bei seinem Besuch 2014 an dieser Taufstelle am Jordan.

  • Öffnungszeiten: Mo-So 8:00-18:30 Uhr
  • Adresse: Baptism Rd, Jordanien

Literatur

  • Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, Jubiläumsausgabe, Stuttgart 2016.
  • Klaus Dorn, Basiswissen Bibel: Das Neue Testament, Paderborn 2016.
  • Horst Dietrich Preuß; Klaus Berger, Bibelkunde des Alten und Neuen Testaments 2. Zweiter Teil: Neues Testament, 6. Auflage, Basel 2003.

Internetressourcen

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