Helenakapelle und Kapelle der Kreuzauffindung

Beitrag von Philipp Werner

 

Helenakapelle

Mitten im ehemaligen Kreuzgang ragt ein Kuppelbau auf. Diese Kuppel versorgt die darunterliegende Helenakapelle mit Licht. Die Benennung der Kapelle und der Grotte folgt der Tradition, die sich nie geändert hat. Sie ist benannt nach der Mutter des Kaisers Konstantin. Sie kam im Jahr 326 nach Jerusalem und beseitigte die heidnischen Statuen und Bauwerke, welche Golgota und das Grab Christi verdeckten, und fand nach der Überlieferung auch das Kreuz Christi. Diese Kreuzholzlegende sollte zu einem der beliebtesten und komplexesten Legendenzyklen des Mittelalters werden. In dieser wird erzählt, dass Helena in Jerusalem nach dem Kreuz Christi suchte. Ein Jude verriet nach Folterungen das ihm bekannte Versteck. Beim Nachgraben fanden sich Kreuze und die Nägel, mit denen Jesus ans Kreuz geschlagen wurde. Durch ein Wunder wurde das richtige Kreuz erkannt. Dieses wurde daraufhin dreigeteilt. Ein Stück ging nach Konstantinopel, ein Teil ging nach Rom in die Kirche S. Croce in Gerusalemme, die von Konstantin gebaut worden war, und der Hauptteil verblieb in Jerusalem. Zusammen mit Makarius, dem damaligen Bischof von Jerusalem, sorgte sie für den Bau der Martyrionbasilika und der Rotunde über dem Heiligen Grab.

 

Zu der nach ihr benannten Kapelle gelangt man, indem man zwischen den Kapellen der Kleiderverteilung und der Verhöhnung 29 Stufen nach unten geht. Sie liegt damit circa 5 Meter unter dem Chorumgang. Die Helenakapelle ist vielmehr eine richtige Kirche und in den Quellen wird sie auch als magna ecclesia bezeichnet. Sie wurde zwischen den Fundamentmauern der konstantinischen Basilika gesetzt und folgt dem byzantinischen Vierstützensystem: Vier Säulen tragen die Kuppel und das Dach. Sie erhielt in der Kreuzfahrerzeit ihre heutige Form und gehört der armenisch-orthodoxen Kirche, die sie Kapelle des hl. Krikor nennt. Damit ist Gregor der Erleuchter gemeint, der schon vor der Zeit Kaiser Konstantins das Christentum in Armenien begründete.

 

I. Kreuzfahrerzeit

Diese Kapelle gehört zu den ersten Bauunternehmungen an der Grabeskirche unter der Leitung der Kreuzritter. An der Stelle der Helenakapelle befand sich im konstantinischen Bau die Basilika. Diese war allerdings deutlich höher gelegen. Die Architektur ist stark von einheimischen Bauformen geprägt. Für den Bau benötigte man relativ wenig Material, da man für die Seitenwände der Helenakapelle die Fundamente der alten Basilika verwendete, und die Kapitelle für die Säulen holte man aus der al-Aqsa Moschee. Die Kreuzfahrer scheinen sich bei diesem ersten Bauvorhaben mit den einheimischen Bauleuten zusammengetan zu haben, denn es finden sich Steinmetzzeichen an den Quadern der Kuppel, die in Europa noch unbekannt, von den Armeniern aber bereits verwendet wurden. So sind auch orientalische Bauformen wiedererkennbar. Im Zugang zur Helenakapelle findet man auch eine Reihe von Graffitis, die Kreuzritter hinterlassen haben. Das Kreuz als Leitmotiv der Kreuzzüge, der Kreuzlegende und der beginnenden neuen Frömmigkeit sind auch eng mit diesem Ort verbunden.

 

II. Heutige Gestalt

Im Treppenbereich sind vier armenische Heilige dargestellt, oben rechts Housig, links Nerses, unten rechts Aviadages, links Vertan. Beim Betreten der Kapelle sieht man zwei weitere Heiligenbilder der Apostel Thaddäus (rechts) und Bartholomäus (links), die der Überlieferung nach in Armenien gewirkt haben. Das Mosaik am Boden aus dem Jahr 1978 bildet eine Reihe von armenischen Heiligtümern ab, von denen einige nicht mehr existieren, da sie während des armenischen Genozids durch die Türkei im Ersten Weltkrieg zerstört worden sind. Nahe beim Beschauer in der Mitte ist der heilige Berg Ararat zu erkennen, der heilige Berg der Armenier, wo nach der Überlieferung die Arche Noahs nach der Sintflut wieder festen Boden berührte. Der Hauptaltar ist dem hl. Gregor dem Erleuchter geweiht; der linke Seitenaltar erinnert an die Taufe Jesu. Die großen Bilder an den Seitenwänden, die nach einem Brand 1980 erneuert wurden, stellen links Szenen aus dem Leben des hl. Gregor dar. In der Mitte wird die Taufe von Trdat III. und seinem Gefolge durch Gregor gezeigt. Die Armenier sind bis heute stolz darauf, das erste Volk zu sein, das sich zum Christentum bekehrte. Auf der rechten Wand wird eine weitere für die Kirchengeschichte wichtige Szene dargestellt. Sie stellt die Zurückbringung des Kreuzes im 7. Jahrhundert durch armenische Mönche dar, die es von den Persern wieder nach Jerusalem zurückbrachten.

 

Durch die Apsis zur Linken kann man in eine für die Öffentlichkeit nicht zugängliche Ausgrabung gelangen. Dort sieht man Spuren des alten Steinbruchgeländes, Mauern aus der vorkonstantinischen Zeit, Fundamentmauern der konstantinischen Basilika und eine in den 60er Jahren gefundene Zeichnung mit einer lateinischen Inschrift. Zeichnung und Inschrift können verschieden gedeutet werden. Die Datierungen schwanken vom 1. bis zum 4. Jahrhundert. Der Mast des Segelschiffes ist entweder gebrochen oder niedergelegt, also entweder ein Zeichen für Seenot bei der Reise ins Heilige Land oder für die Ankunft am Ziel. Die schwer lesbare Inschrift wird unterschiedlich gedeutet. Nach der einen Interpretation handelt es sich um das Gemälde eines Isis-Anhängers aus dem hadrianischen Aphroditenheiligtum (ISIS MIRIONIMUS – 10000-namige Isis), der glücklich mit dem Schiff in Palästina gelandet ist, nach der anderen um eine christliche Pilgerinschrift (DOMINE IVIMUS – Herr wir werden kommen) aus dem 4. Jahrhundert. Ein franziskanischer Archäologe, der mit der Reinigung und Restaurierung der Zeichnung betraut war, hat dabei die Inschrift nach der zweiten, seiner Deutung nachgezogen.

 

Abb. 1: Treppe zur Helenakapelle. An den Wänden sind die Kreuzfahrergraffiti gut zu erkennen.

 

 

Die Kapelle der Kreuzauffindung

Wenn man von der Helenakapelle weiter hinuntersteigt, kommt man in die Kapelle der Auffindung des Heiligen Kreuzes, die den Franziskanern anvertraut ist. Die Kreuzauffindungsgrotte wurde unter der Helenakapelle in einem alten Steinbruch eingerichtet. Dieser untere Teil diente in römischer Zeit als Zisterne. Nachdem die Grabeskirche 1009 zerstört und dann bis 1048 aufgebaut wurde, identifizierte man unter der ehemaligen konstantinischen Basilika eine Grotte mit der Kreuzauffindung. Diese lag allerdings noch außerhalb der Grabeskirche. Erst mit dem Neubau in der Zeit der Kreuzfahrerzeit wurde diese Grotte zusammen mit der Helenakapelle in die Grabeskirche integriert. Für die Apsis hat Erzherzog Ferdinand Maximilian von Habsburg, der spätere Kaiser von Mexiko, anlässlich seines Besuches 1857 einen neuen Altar mit einer bronzenen Helenastatue gestiftet. Unten sieht man auf drei Seiten natürlichen Fels, die Nordseite ist gemauert; weiter oben besteht auch die vordere Wand aus Mauerwerk. Im rechten Teil der Grotte bezeichnet eine mit einem Kreuz versehene Steinplatte die Fundstelle der Kreuze. Auf der Ostwand sieht man fragmentarische Malereien, wahrscheinlich aus dem 12. Jahrhundert. Auch an der Südwand finden sich Spuren von Malereien, die 2010 restauriert und mit Glas bedeckt wurden. Sie stellen einen Heiligen mit Bart und einen Erzengel mit Flügeln dar (Michael oder Raphael).

 

Abb. 2: Kapelle der Kreuzauffindung. Im Hintergrund sieht man die Fresken aus dem 12. Jahrhundert.

 

 

Literatur

  • Fürst, Heinrich/Geiger, Gregor: Im Land des Herrn, Ein franziskanischer Pilger- und Reiseführer für das Heilige Land, 6. Aufl., Paderborn 2016.   
  • Hirschberg, Peter: Israel und die palästinensischen Gebiete, Leipzig 2011.      
  • Krüger, Jürgen: Die Grabeskirche zu Jerusalem, Geschichte – Gestalt – Bedeutung, Regensburg 2000.        
  • Schmaltz, Karl: Mater ecclesiarum, Die Grabeskirche in Jerusalem, Studien zur Geschichte der kirchlichen Baukunst und Ikonographie in Antike und Mittelalter, Straßburg 1918.

 

 

Abbildungen

  • Abb. 1: © Prof. Dr. Thomas Krüger.
  • Abb. 2: © Prof. Dr. Thomas Krüger.

Suche