Das „deutsche“ Theater in Czernowitz

Beitrag und Foto von Heike Strobl

 

Auf der Suche nach einem geeigneten Veranstaltungsort

Die gemeinsame Verkehrssprache in der Vielvölkerstadt Czernowitz war vom 18. bis ins 20. Jahrhundert Deutsch. Deswegen waren auch Theater, Operette, Pressewesen und Literatur von der deutschen Sprache geprägt. Bereits um 1805 war das Theater ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens in Czernowitz. 1825 erfreute sich das Theater sogar einer Art staatlicher Unterstützung: Soldaten durften als Statisten eingesetzt werden, jedoch war es ihnen nicht erlaubt, in Uniform und mit Waffen auf der Bühne zu stehen. Was den Czernowitzern lange Zeit fehlte, war ein geeignetes Gebäude für die Theateraufführungen. Aus diesem Grund dienten private Säle, Gasthausräume, Casinos oder der Volksgarten als Aufführungsräume.

 

Erst im Jahr 1839 erbaute ein Bürger namens Beck neben dem Rathaus ein Theater (vermutlich aus Holz), dass nur drei Jahre später niederbrannte. Überliefert ist, dass um 1850 Aufführungen in der Reitschule beim Generalsgebäude stattfanden. Beck errichtete erneut ein Theaterhaus, das für etwa 500 Zuschauer ausgelegt war, doch auch dieser Bau brannte nach kurzer Zeit ab. Fortan nutzte man in Czernowitz Säle im Hotel „Moldavie“ und „Schwarzer Adler“ für Theaterveranstaltungen, später nur noch einen Saal im Hotel „Moldavie“.

 

Schließlich entschloss sich die Stadtverwaltung am 6. Juni 1877 dazu, einen einstweiligen Bau eines Theaters mit 21.867 Gulden zu finanzieren. Dieses Theater hatte Platz für 574 Zuschauer. Andere Quellen berichten, dass es in Czernowitz seit 1876 ein Theatergebäude gab, in dem 800 Sitzplätze vorhanden waren. Von Anfang Oktober bis Anfang Mai soll in diesem Gebäude deutsches Theater gespielt worden sein. Trotz seines provisorischen Charakters war es das erste stabile Haus in Czernowitz, das allein für Theateraufführungen zur Verfügung stand. Dieses sogenannte „Alte Theater“ wurde an der Ecke Schulgasse und Türkengasse errichtet und war bis (einschließlich) zur Spielzeit 1903/1904 in Betrieb. Danach diente das Gebäude als Arbeiterheim und Kino, bis es letztendlich im Jahr 1935 abgetragen wurde.

 

Die Stadt widmete sich erstmals 1904 der Errichtung eines neuen Theatergebäudes, da das Alte Theater aufgrund einer feuerpolizeilichen Bestimmung gesperrt werden musste.

 

 

Das Neue Theater

 

Kleiner Exkurs: Die Architekten Fellner & Helmer

Das Architektenbüro Fellner & Helmer war um die Jahrhundertwende führend im Theaterbau. Sie erbauten Theater in ganz Mittel- und Südosteuropa. Neben dem Wiener Stadttheater (1872) errichteten sie auch in Hamburg das Deutsche Schauspielhaus (1899/1900) sowie das Stadttheater in Augsburg (1876/1877). Als sie den Auftrag für das Czernowitzer Theater erhielten, hatten sie bereits 36 Theatergebäude in Europa errichtet.

 

Ein Theaterverein hatte es sich schon zuvor zur Aufgabe gemacht, ein Theatergebäude zu errichten. Der Verein war 1884 gegründet worden – einer Zeit, in der sich kulturelle Veranstaltungen in Czernowitz großer Beliebtheit erfreuten. Schon 1898 stellte der Verein Finanzierungsanträge für ein neues Theatergebäude. Im April 1900 beauftrage er außerdem die bekannten Architekten Fellner & Helmer, einen geeigneten Platz für das Theater ausfindig zu machen.

 

Das Projekt musste jedoch auf Eis gelegt werden, bis schließlich die Sperrung des „Alten Theaters“ den Bau sogar beschleunigte. Am 31. Mai 1904 wurde „endlich“ der Bau eines Theaters für 600.0000 Kronen beschlossen. 813 Zuschauer sollten in dem neuen Gebäude Platz finden. 1.430 Quadratmeter standen dafür auf dem damaligen Militärgelände zur Verfügung.

 

Am 30. Juni 1904 war Baubeginn. Schon ein Jahr später, am 03. Oktober 1905, wurde das Neue Theater mit einer Festvorstellung eröffnet. In den folgenden 15 Jahren bot das Theater das gesamte klassische und romantische Schauspiel- und Opernrepertoire. Einige hochrangige Künstler waren zu Gast. Dazu zählt die weltberühmte Sopranistin Viorica Ursuleac, die aus Czernowitz stammt.

 

 

Über das Gebäude

 

 

© Universität Augsburg

 

Hinsichtlich Grundriss, Aufriss und Ausstattung stimmt das Czernowitzer Theater mit dem Stadttheater in Fürth (1901/1902) fast gänzlich überein. Deswegen ist es naheliegend, dass es sich um denselben Entwurf von Fellner & Helmer handelt. Vermutlich hatten Sie den Plan bei der Standortsuche 1900 entwickelt. Da in Czernowitz der Bau dann noch verschoben wurde, ist es denkbar, dass Sie 1901 den gleichen Plan in Fürth eingereicht haben.

 

Das Gebäude in Czernowitz ist mit einem Hochrelief über dem Eingang, Figuren des Schauspiels und der Dichtung, Büsten an den Seitenfassaden und Giebelgruppen über den Fenstern von Ernst Egenbarth aus Wien ausgestattet. So ist zum Beispiel über dem Eingang der Zug des Orpheus aus der Unterwelt zu sehen und auf dem Giebel die triumphierende Muse. Der Zuschauerraum verfügt über ein Parterre, einen Balkon und eine Galerie. Er hat vier Proszeniumslogen sowie 31 Ranglogen.

 

 

Zum Standort

Das Theater liegt am Theaterplatz (zur habsburgischen Zeit hieß er Elisabethplatz). Dieser Platz wurde bereits 1790 angelegt. Frühere Namen wie Getreideplatz, Fruchtplatz oder Fischplatz verweisen auf die Bedeutung als Marktplatz. Heute liegt er inmitten eines Stadtteils, der zur Zeit des Theaterbaus neu entstand. Außerdem ist er von einer Parkanlage umgeben, die zur rumänischen Zeit angelegt wurde.

 

Der Figurenplatz vor der Hauptfront des Theaters unterlag schon einigem Wandel. Zu Beginn war dort Friedrich Schiller zu sehen. Ebenso hieß die Straße links neben dem Theater Schiller-Gasse. Das Denkmal wurde jedoch 1922 entfernt, als das Theater zum rumänischen Nationaltheater wurde. Ab diesem Zeitpunkt, gab es auch keine deutschen Aufführungen mehr in dem Theater. Heute ist dort die Statue der ukrainischen Nationaldichterin Olga Kobyljanska. Nach ihr ist das Theater jetzt auch benannt.

 

Abschließend lässt sich sagen, dass das Theater in Czernowitz (wie auch das in Lemberg) keinen bedeutenden weltweiten Rang eingenommen hat. Es spielt jedoch eine interessante Rolle, wenn man seine Geschichte als Institution näher betrachtet, die Kulturen und Völker, Sprachen und Ethnien, Zuschauer und darstellende Künstler zusammenbringt.

 

 

Literatur

  • Dienes, Gerhard M.: Fellner & Helmer. Die Architekten der Illusion. Theaterbau und Bühnenbild in Europa. Graz 1999.
  • Fassel, Horst: Vom Wandertheater zum Stadttheater. Deutschsprachiges Theater in der Moldau/Bukowina von 1848-1918. In: Fassel, Horst; Ulrich, Paul S.: „welt macht theater“. Deutsches Theater im Ausland vom 17.-20. Jahrhundert. Funktionsweisen und Zielsetzungen, Band 1. Berlin 2006.
  • Georg Drozdowski: Zur Geschichte des Theaters in der Bukowina. In: Buchenland. 150 Jahre Deutschtum in der Bukowina (= Veröffentlichungen des Südostdeutschen Kulturwerks, Band 16). München 1961.
  • Lang, Raimund: Czernowitz. Ein historischer Stadtführer. Wien 1995.

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