Die Franziskaner in Akkon und der Chan Affrandschi

Beitrag von Gabriele Victoria Schaffner

 

Akkon im Mittelalter

Akkon erlebte unter arabischer Herrschaft einen wirtschaftlichen Aufschwung, da die Kalifen von Damaskus in der Werft der Hafenstadt ihre Schiffe herstellten. 1104 wurde Akkon durch König Balduin I. von Jerusalem erobert und gelangte so in die Hand der Kreuzfahrer. Durch die Belagerung und Eroberung der Stadt 1187 durch Sultan Saladin setzte die fränkische Herrschaft vorerst aus. Beim dritten Kreuzzug konnte Akkon jedoch nach fast zwei Jahren Belagerung im Jahr 1191 unter Führung von Richard Löwenherz, König Philipp II. August und Herzog Leopold V. zurückerobert werden. Jerusalem blieb zu diesem Zeitpunkt allerdings weiterhin unter Saladins Herrschaft. Dadurch wurde Akkon für rund 100 Jahre zur Interimshauptstadt des Königreichs Jerusalem.

 

Der Hafen der Stadt wurde schnell zum Haupthafen: Er war wirtschaftlich, militärstrategisch und als Landungsort für Pilger auf dem Weg zu den Heiligen Stätten von großer Bedeutung. Die Ritterorden machten es sich zur Aufgabe, den Pilgern im Heiligen Land sicheres Geleit, Schutz, Unterkunft und Fürsorge zu bieten, sowie die Heiligen Stätten zu schützen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, siedelten sich Orden wie der Templerorden, der Johanniterorden,  und der – während der Belagerung Akkons gegründete – Deutsche Orden in der Stadt an.  

 

Durch den Frieden von Jaffa 1229 wurde Jerusalem an die Christen zurückgegeben und Akkon unter die Verwaltung des Johanniterordens gestellt. Nach Eroberung Jerusalems 1244 war Akkon eine der letzten Stützpunkte im Heiligen Land. 1291 fiel die Festung von Akkon und damit eine der letzten Bastionen der Kreuzfahrer an der Levante. Ab 1517 gehörte Akkon zum Osmanischen Reich.

 

 

Die Franziskaner

Die Franziskaner sind eine Ordensgemeinschaft, deren Gründung historisch und spirituell auf Franziskus von Assisi (1181–1226) zurückgeht. Der Orden in sich ist in verschiedene Zweige gespalten, die die praktische Verwirklichung von Armut verschiedentlich handhaben.

 

Die Anerkennung der franziskanischen Bewegung durch Papst Innozenz III., die ansteigende Laienfrömmigkeit und auch Differenzen zwischen Papst und Friedrich II. führten zur Umformung in einen Orden. Im Mai 1209 wurde so durch Franziskus von Assisi der erste Bettelorden ins Leben gerufen: der Ordo fratrum Minorum. Das Ideal der Ordensbrüder war ein Leben in radikaler Armut nach dem Vorbild des armen und leidenden Christus – die imitatio Christi. Der Ordensgründer starb 1226 und wurde zwei Jahre nach seinem Tod heiliggesprochen.

 

 

Die Franziskaner in Akkon

Das erste Franziskanerkloster in Akkon wurde vermutlich 1217 von Elias von Cortona, auch Elias von Assisi genannt, gegründet. Elias schloss sich zwei Jahre zuvor Franziskus an und wurde nach Syrien geschickt, um eine Ordensprovinz einzurichten.

 

1218 reiste Franz von Assisi durch das Heilige Land um zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln. Auf dem Weg nach Damiette wurde er von Sarazenen aufgegriffen und gefangen genommen. Er predigte vor dem Sultan al-Adil I., bis dieser ihn schließlich zu den Kreuzrittern zurückkehren ließ. Im Folgejahr 1219 kam Franz von Assisi nach Akkon und gründete dort ein Kloster für Klarissinnen. 1263 wurden Ordensprovinz und Kustodien im Heiligen Land neu organisiert. In dieser Zeit übten die Franziskaner ihr Apostolat hauptsächlich unter den Kreuzfahrern aus.

 

Das Wirken der Franziskaner in Akkon sollte jedoch nicht lange andauern: Als 1291 die Mameluken unter Sultan al-Asraf die Stadt eroberten, wurden Kirchen und Klöster geplündert und zerstört; es wurde von zahlreichen ermordeten Christen berichtet – darunter auch 52 Franziskaner und 74 Klarissinnen. Die restlichen Ordensbrüder flohen aus der Stadt. Johannes von Winterthur berichtete vom Massaker an den Christen:

 

„Die Zahl der Christgläubigen aber, die in der Stadt ergriffen und getödtet wurden, soll in 70.000 bestanden haben; von den Heiden hingegen kamen weit mehr an einer aus gemeldetem Grunde unter ihnen ausgebrochenen Pest um. Zudem schändeten die Heiden, was traurig zu sagen ist, bei der Einnahme der Stadt die gläubigen Frauen, die ihnen mit ihrer Schönheit gefielen, und als sie zum Kloster der Hl. Clara gekommen waren und die daselbst dem Herrn dienenden Nonnen entehren wollten, konnte die Aebtissin mit der großen Inständigkeit ihrer Bitten von ihnen kaum das erlangen, daß sie von ihnen, indem ihnen das Heiligtum ihrer Keuschheit belassen wurde, nach einem dem Herrn dargebrachten Feiergesang und Lied ihr Haupt annahmen. Als sie daher den Wechselgesang: „Sei gegrüßet, Königin“ innig zu Ende gesungen hatten, verdienten sie sich auf gebeugten Knieen, mit hingehaltenem Nacken in der Enthauptung die Märtyrerpalme.“
An der Stelle des von Assisi gegründeten Klarissinnenklosters befindet sich heute das kleine Franziskanerkloster.

 

 

Generelles zu den Bauten der Franziskaner

Die Franziskaner achteten stark auf die Einhaltung des Armutsgebots, weshalb umfangreiche Klosterbauten diesem Ideal widersprachen. Gerade in der Entstehungs- und Anfangszeit des Ordens sollte die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft nicht gefährdet werden, weshalb die Ordensbauten eher einfachen Häusern glichen. Ein wichtiger Ort der Predigt stellte zudem der Platz vor der Kirche dar.

 

Abweichend von diesem Ideal war der 1228 begonnene Bau der Grabeskirche des Heiligen in Assisi, für deren prunkvolle Gestaltung der Architekt Elias von Cortona verdammt und seines Amtes als Ordensgeneral enthoben wurde.

 

Die franziskanische paupertas sollte für Ordensmitglieder und den ganzen Orden Besitzlosigkeit bedeuten, ergo sollten auch die Ordensbauten schmucklos sein. Deshalb wurden in der franziskanischen Generalkonstitution von Narbonne am 10. Juni 1260 unter anderem die wichtigsten architektonischen Bestimmungen zum Kirchenbau zusammengefasst:

 

„Weil aber die Erlesenheit und der Überfluß direkt der Armut entgegenstehen, ordnen wir an, daß die Erlesenheit der Gebäude an Malereien, Tabernakeln, Fenstern und Säulen und dergleichen, ebenso das Übermäßige an Länge, Breite und Höhe möglichst streng vermieden werde, nach der Lage des Ortes. Die aber, die die Konstitution übertreten haben werden, sollen schwerwiegend bestraft werden, und die Vorstände sollen aus ihren Orten unwiderruflich ausgestoßen werden.“                                               - Statuten der Franziskaner.

 

Ebenso durften die Decken (außer in der Hauptkapelle) nicht gewölbt sein, keine Türme an die Kirche gebaut werden usw. Über diese Regelungen hinaus wurde zumeist auf den Bau von Querhäusern, Umgangschören und Krypten verzichtet. Dies sind distinktive Merkmale für die hochmittelalterliche Bettelordensarchitektur. Bedeutende Ordensniederlassungen genossen jedoch auch eine gewisse Ausnahmestellung, weshalb man nicht zu sehr verallgemeinern darf.

 

Prunkvolle Franziskanerkirchen und -klöster verletzten allerdings auch nicht das Armutsideal. Die Gotteshäuser waren nämlich nicht im Besitz des Ordens, sondern in dem des Papstes. 1230 wurde dies auch in der Bulle Quo Elongati Gregors des IX. festgelegt.

 

Aufgrund der radikalen Klerikalisierung und Verwissenschaftlichung des Franziskanerordens verblasste im Laufe der Zeit jedoch das Armutsideal und auch die Gebäude wurden prunkhafter.

 

 

Chan el-Affrandschi – die Frankenherberge

Im 16. Jahrhundert wurde der Seehafen Akkons langsam wieder bedeutender; der Stadtkern wurde vom Drusen-Emir Fachr ad-Dīn II. ausgebaut und zur Residenz des Emirats gemacht. Um seine Bautätigkeiten zu beschleunigen wurden europäische Kaufleute und auch Franziskaner engagiert. Die Franziskanerchronik berichtet zudem von einer Erlaubnis Fachr ad-Dīns II.: Er soll den Ordensbrüdern 1620 offiziell gestattet haben, sich wieder in Akkon niederzulassen und zu diesem Zweck auch den Bau einer Kirche und einer Herberge erlaubt haben.

 

Im Hafengebiet der Stadt wurden daraufhin einige Karawansereien (arab.: Chan) gebaut, die Handelsstandorte und Unterkünfte für Kaufleute und Reisende darstellten und mit Ställen für Lasttiere versehen waren. Die ebenerdigen Räume dieser Anlagen bestanden nicht nur aus Ställen, sondern waren sowohl Warenlager als auch Umschlagplatz. In den oberen Geschossen der Karawansereien lagen Wohn- und Geschäftsräume.

 

Die Frankenherberge, auch Khan el-Affrandschi/ Khan el-Faranj genannt (auf der Karte gekennzeichnet mit der Nummer 6), soll um 1620 von Fachr ad-Dīn II. in Auftrag gegeben worden sein. Diese Anlage liegt im ehemaligen venezianischen Viertel und gilt als die älteste Karawanserei der Stadt. Sie ist unmittelbar am Franziskanerkloster gelegen. Der Innenhof der Anlage diente als Marktfläche. Ein Teil des Chans wird heute als Schule genutzt.

 

Den Khan el-Affrandschi haben wir bei der Exkursion nicht besucht. Stattdessen passierte die Gruppe unter anderem den baufälligen Chan a-Shuna, dessen Grundsubstanz noch aus der Kreuzfahrerperiode stammt und bis vor einigen Jahren auch immer noch als Hostel genutzt wurde.

 

Zudem kam die Gruppe am unlängst renovierten Khan es-Shawarda/Chan asch-Schawarda vorbei. Dieser Chan, die so genannte Händler-Herberge, liegt bei den ehemaligen Räumlichkeiten der Klarissinnen und wurde vermutlich im 18. Jhd. von Daher al-Omar errichtet. Heute bietet der Chan Fläche für Restaurants und Ladengeschäfte.

 

Abb. 1: Der Khan es-Shawarda.

 

Unter dem Scheich Daher al-Omar erlebte die Stadt eine wahre Blütezeit: sie wurde 1744 Hauptstadt Galiläas, man trieb regen Handel mit Genua und Marseille.

 

Die 1784 von Ahmed El-Jazar nahe dem Hafen erbaute Karawanserei Chan el-Umdan, die Säulenkarawanserei, ist ein weiteres beeindruckendes Bauwerk dieser Art. Es wurde an der Stelle des Dominikanerklosters aus Ruinensteinen Caesareas erbaut. Heute sind in diesem Khan Teile der Verwaltung der Stadt untergebracht.

 

Abb. 2: Der Glockenturm von Akkon am Chan el-Umdan.

 

Der auf dem Bild (Abb. 2) zu sehende Glockenturm von Akkon am Chan el-Umdan wurde 1906 errichtet und besteht aus großen Sandsteinblöcken.

 

 

Franziskaner in Akkon heute

Noch heute gibt es in Akkon römisch-katholische Gotteshäuser, die von den Franziskanern gegründet wurden; z.B. die St. Franziskus-Kirche, sowie die nach 1737 erbaute und 1947 renovierte St. Johannes-Kirche am Südende der Altstadt nahe dem Leuchtturm.

 

Der Orden ist zudem bis heute noch in Akkon aktiv. Die ehemaligen Räumlichkeiten des Klosters werden teilweise als Schule genutzt. 2001 wurde die Altstadt Akkons und der Großteil der historischen Bauten zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.        

 

Abb. 3: Der Altar der Johanneskirche.

 

Abb. 4: Karte der Altstadt Akkons. Die noch vorhandenen See- und Stadtmauern sind auf der Karte violett gekennzeichnet.

 

  1. Kreuzfahrerstadt
  2. Templertunnel
  3. Leuchtturm
  4. Fliegenturm
  5. Johanneskirche
  6. Chan el-Affrandschi
  7.  Franziskanerkloster
  8.  Chan el-Umbdan
  9.  Andreaskirche
  10. Georgskirche
  11. Al-Jazzar Moschee
  12. Chan el-Shawarda

 

 

Quellen 

  • Freuler, Bernhard (Übers.), Die Chronik Johann’s von Winterthur ins Deutsche übersetzt, Winterthur 1866, verwendeter Quellenauszug: s. S. 43.
  • Braunfels, Wolfgang (Hg.), Aus den Statuten der Franziskaner (1260), Übersetzung in: Abendländische Klosterbaukunst, hg. v. Ernesto Grassi/ Walter Heß, Köln 21976, verwendeter Quellenauszug: s. S. 307f.

 

 

Literatur

  • Feld, Helmut, Die Franziskaner, Stuttgart 2008.
  • Gorys, Erhard und Andrea, Heiliges Land. Ein 10000 Jahre altes Kulturland zwischen Mittelmeer, Rotem Meer und Jordan, Ostfildern 72009.
  • Fürst, Heinrich/ geiger, Gregor, Im Land des Herrn. Ein franziskanischer Pilger- und Reiseführer für das Heilige Land, Paderborn 62016.
  • Jacoby, David, Die Kreuzfahrerstadt Akko, in: Burgen und Städte der Kreuzzugszeit, hg. v. Mathias Piana, Petersberg 2008, S. 242-251.
  • Murphy-O’Connor, Jerome: The Holy Land: An Oxford Archaeological Guide from Earliest Times to 1700, New York 52008.
  • Pizzaballa, Pierbattista P., Die Franziskaner im Heiligen Land, Jerusalem 2012.
  • Rauch, Michael: Israel. Palästina. Sinai, Ostfildern 42016.
  • Runciman, Steven, Geschichte der Kreuzzüge. Dritter Band: Das Königreich Akkon und die späteren Kreuzzüge, München 1960.
  • Stickl, Erwin, Der Fall von Akkon. Untersuchungen zum Abklingen des Kreuzzugsgedankens am Ende des 13. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1975.
  • Todenhöfer, Achim, Apostolisches Ideal im sozialen Kontext: Zur Genese der Bettelordensarchitektur im 13. Jahrhundert, in: Marburger Jb. 34 (2007), S. 43-75.
  • Wiener, Jürgen, Kritik an Elias von Cortona und Kritik von Elias von Cortona: Armutsideal und Architektur in den frühen franziskanischen Quellen, in: Frömmigkeitsformen in Mittelalter und Renaissance (Studia Humaniora; Bd. 37), hg. v. Johannes Laudage, Düsseldorf 2004, S. 207-246.

 

 

Internetressourcen

 

 

Abbildungen
Abb. 1–4: © Gabriele Schaffner, 2018.

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