Lebensraum: Pflasterritzen
In Siedlungsräumen sind Pflanzen permanenten Störungen und Veränderungen ausgesetzt. Dies macht viele Pflanzenarten in Städten zu Überlebenskünstlern. Pflasterritzen stellen dabei das wohl beste Beispiel für ein Habitat dar, das von häufiger Störung geprägt ist. Die Beeinträchtigungen des unscheinbaren Lebensraums sind unterschiedlich, so ist die Vegetation in den Fugen der Pflastersteine räumlichen Eingrenzungen, der ständigen mechanischen Belastung durch den Tritt und das Befahren und stellenweise auch dem Einsatz von Unkrautbekämpfungsmitteln ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Habitate diese speziell angepassten Pflanzenarten bewohnt haben, bevor Städte existierten? Mit höchster Wahrscheinlichkeit kommen die Spezies von zyklisch überfluteten Flussufern. Dementsprechend sind solche Arten von Natur aus an mechanische Störfaktoren angepasst.
So unscheinbar solche Nischengesellschaften im Siedlungsraum sind, so stark tragen sie zur Artenvielfalt in Städten bei. Ganz nach der wohl bekannten Redewendung „klein, aber fein“ sind bei genauerem Hinsehen die kleinen Pflanzen häufig auch optisch sehr ansprechend, da die filigranen Blüten vielfach farbenfroh und kontrastreich sind.
Aufrechter Sauerklee (Oxalis stricta)
Fundort am Campus: Pflasterritzen am westlichen Parkplatz, Terrasse des Informatikgebäudes
Der Aufrechte Sauerklee bzw. Oxalis stricta sticht, trotz der kleinen Größe, durch die auffällige helle und gelbe Blüte ins Auge. Die Blätter erinnern sehr an die eines Klees (Trifolium), sind jedoch, wie auch teilweise an der Abbildung zu erkennen, oft nach unten geklappt und zusammengeknickt. Die Blütezeit dieser kleinen Pflanze reicht ungefähr von Juni bis Oktober. Der Aufrechte Sauerklee ist keine heimische Pflanze, sondern ein Neophyt aus dem Mittelmeergebiet und ist erst im 19. Jh. im Norden Deutschlands eingewandert. Dass der Sauerklee an der Universität Augsburg in Pflasterritzen vorkommt, bedeutet nicht, dass er zur typischen Ritzenvegetation gehört. Die Spezies verbreitet sich generell gerne in nährstoffreichen und warmen Habitaten. Die Samen der Pflanze werden durch die länglichen Früchte bis zu 1m weit weggeschleudert. Dies geschieht durch den hohen Druck der sich in der Frucht aufbaut.
Breit-Wegerich (Plantago major)
Fundort am Campus: Pflasterritze, Trampelpfade, Parkplätze
Der Breit-Wegerich, auch als Großer Wegerich bekannt, gehört zur Familie der Wegerichgewächse. Charakteristisch für diese Pflanze sind ihre breiten, ellipsenförmigen Rosettenblätter, die 10 bis 15 cm lang sind und durch 3 bis 9 parallel verlaufende Nervenbahnen gekennzeichnet sind. Diese Nervenbahnen treffen am Stiel zusammen und machen die Blätter gut erkennbar. Der Breit-Wegerich kann eine Höhe von bis zu 40 cm erreichen und blüht von Juni bis Oktober mit schlanken, langen Ähren. Diese Pflanze ist ein typisches Mitglied der Trittvegetation und zeigt eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Bedingungen. Bodenverdichtung durch Reifendruck oder andere Einflüsse schadet ihm nicht. Im Gegenteil, die Pflanze profitiert sogar davon, da die bei Nässe aufquellenden Samen an Schuhsohlen oder Tieren haften bleiben und so zur Verbreitung beitragen können.
Huflattich (Tussilago farfara)
Fundort am Campus: Wegränder, Pflasterritzen, Bauschutt
Der Huflattich ist eine typische und häufige Ruderalpflanze. Namensgebend ist die Form der Blätter, die an ein Hufeisen erinnern. Eine Besonderheit des Huflattichs ist, dass die Pflanze auffällig in einer gelben Farbe blüht, noch bevor dessen Blätter zum Vorschein kommen. Erst nachdem die Blüte abblüht, folgen die relativ großen Blätter. Da die Blüten bei voll entwickelten Blättern bereits passé sind, kommt es häufig zu einer Verwechslung mit der Pestwurz (Petasites). Zwar sind die Blüten der beiden Arten überhaupt nicht zu vergleichen, die Blattform ist jedoch sehr ähnlich. Die Blätter des Huflattichs sind generell kleiner und mit kleinen Zähnen am Blattrand versehen, die an der Spitze schwarz sind. Bevorzugt wächst der Huflattich als Pionierpflanze auf offenen Standorten und ist deswegen meistens an Wegrändern, Bauschutt und Gruben vorzufinden. Auch an Ufern ist die Pflanze anzutreffen.
Kahles Bruchkraut (Herniaria glabra)
Fundort am Campus: Pflasterritzen, Parkplätze
Das Kahle Bruchkraut fällt vor allem durch eine teppichartige Ausbreitung auf. Bevorzugt gedeiht diese Pflanze an Trockenrasen mit sandigem Boden. Aus diesem Grund ist sie ein durchaus häufiger Vertreter der Pflasterritzenvegetation. Durch die anliegende Ausdehnung und die knäuelartigen Blütenbündel ist das Kahle Bruchkraut in unseren Regionen kaum zu verwechseln.
Scharfer Mauerpfeffer (Sedum Acre)
Fundort am Campus: Pflasterritzen, Ruderale Standorte, Dächer
Der scharfe Mauerpfeffer, auch als scharfe Fetthenne bekannt, gehört zur Familie der Dickblattgewächse und ist in Europa sowie in Westasien und Nordafrika verbreitet. Diese wintergrüne Staude wächst zwischen 5 und 10 cm hoch und breitet sich etwa doppelt so weit aus, wodurch sie einen teppichartigen Rasen bildet. Die Blütezeit erstreckt sich von Juni bis August, wobei die Pflanze von zahlreichen kleinen, leuchtend gelben Blüten überzogen ist, die sich sternförmig anordnen. Am besten gedeiht der Mauerpfeffer an vollsonnigen, trockenen Standorten, gerne auch in Felsspalten. Im Gartenbau wird Mauerpfeffer als Bodenbedecker für nährstoffarme Böden sowie für die Dachbegrünung von Garagendächern verwendet. Er übersteht Temperaturen bis zu -20°C und ist unempfindlich gegenüber Schädlingen. Die Blätter schmecken nach etwas Kauen meist scharf, was sich im volkstümlichen Namen widerspiegelt.st.
Steinbrech-Felsennelke (Petrorhagia saxifraga)
Fundort am Campus: Pflasterritzen, Schotterflächen, manche Wegränder
In Siedlungsbereichen findet der aufmerksame Beobachter oft eine Mischung aus spontaner, subspontaner und angepflanzter Vegetation. In der Natur ist Sedum floriferum im Gegensatz zu vielen anderen Sedum-Arten kaum zu finden, da sie häufig vorsätzlich gezüchtet wird. Durch ihre teppichartige Ausbreitung, gold-gelbe Blüte und den geringen Pflegeaufwand wird die Pflanze sehr gerne in Gärten, auf steinigen/felsigen Standorten in Parks und auf Dächern angepflanzt. So hat es das Saatgut auch auf die Dächer des Sportzentrums geschafft wo Sedum floriferum beinahe die gesamte Fläche eingenommen hat. Die durchgehende Sonnenexposition begünstigt das Wachstum des Pflanzenteppichs, da der Großteil der Sedum-Arten wärmeliebend ist.
Vogelknöterich (Polygonum aviculare)
Fundort am Campus: Pflasterritzen, Wegränder und Trittwiesen
Der Vogelknöterich oder auch Polygonum aviculare breitet sich horizontal in alle Richtungen aus und trägt weiße Blüten. In Deutschland gehört die Pflanze zu einer der drei am häufigsten vorkommenden Pflanzenarten der Trittgesellschaften. Am liebsten gedeiht der Vogelknöterich an trockenen und nährstoffreichen Standorten, was Pflasterritzen und Standorte im Siedlungsbereich zu idealen Lebensräumen für die Spezies macht. Die Verbreitung der Früchte durch den Menschen macht siedlungsnahe Standorte für die Pflanze interessant. Unbewusst haften sich die Früchte bei Betritt an das Schuhwerk, wir tragen somit zum Erhalt und der weiteren Verbreitung des Vogelknöterichs bei.
Wald-Fiederzwenke (Brachypodium sylvaticum)
Fundort am Campus: Wegränder, Gebäudenähe
Die Wald-Fiederzwenke (Brachypodium sylvaticum) ist ein mehrjähriges Gras, das bevorzugt in schattigen Wäldern und Gebüschen Europas wächst. Sie zeichnet sich durch ihre langen, schmalen Blätter und dichten Rispen aus, die eine charakteristische fiederartige Struktur haben. Diese Pflanze spielt eine wichtige Rolle im Waldökosystem, indem sie Bodenerosion verhindert, und Lebensraum für verschiedene Insektenarten bietet. Interessanterweise breitet sich die Wald-Fiederzwenke nicht nur Im Wald, sondern auch in der Nähe von menschlichen Siedlungen aus, da sie In gestörten Böden gut Fuß fasst und zur Wiederherstellung der Vegetation beiträgt.
Weiße/r Fetthenne/Mauerpfeffer (Sedum album)
Fundort am Campus: Pflasterritzen, Schotter, Kies, Dächer
Die weiße Fetthenne fällt außerhalb der Blütezeit vor allem durch die kleinen, dicken und fleischigen Blätter auf. Werden diese Blätter aufgebrochen, dann entdeckt man im Inneren einen Flüssigkeitsspeicher. Im Lateinischen heißt Saft sucus, deshalb werden Pflanzen mit solch saftreichen und robusten Blättern auch Sukkulente genannt. Bricht mal ein Blatt ab, dann wächst aus diesem eine neue Fetthenne, weswegen sich der Großteil der Fetthennen-Arten in Städten durch das Befahren und den Tritt ideal ausbreiten kann. In der Hauptblütezeit (Juni - September) fallen die kleinen unscheinbaren Pflanzen durch ihre weißen und buschigen Blütenstände (siehe Bild) vielmehr ins Auge. Neben der Weißen gibt es auf dem Campus noch einige weitere Vertreter aus der Gattung der Fetthennen.