Lebensraum: Pflasterritzen

"Willst du dich am Ganzen erquicken, so musst du das Ganze im Kleinsten erblicken." - Johann Wolfgang von Goethe, Dichter und Naturforscher

In Siedlungsräumen sind Pflanzen permanenten Störungen und Veränderungen ausgesetzt. Dies macht viele Pflanzenarten in Städten zu Überlebenskünstlern. Pflasterritzen stellen dabei das wohl beste Beispiel für ein Habitat dar, das von häufiger Störung geprägt ist. Die Beeinträchtigungen des unscheinbaren Lebensraums sind unterschiedlich, so ist die Vegetation in den Fugen der Pflastersteine räumlichen Eingrenzungen, der ständigen mechanischen Belastung durch den Tritt und das Befahren und stellenweise auch dem Einsatz von Unkrautbekämpfungsmitteln ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Habitate diese speziell angepassten Pflanzenarten bewohnt haben, bevor Städte existierten? Mit höchster Wahrscheinlichkeit kommen die Spezies von zyklisch überfluteten Flussufern. Dementsprechend sind solche Arten von Natur aus an mechanische Störfaktoren angepasst.

 

So unscheinbar solche Nischengesellschaften im Siedlungsraum sind, so stark tragen sie zur Artenvielfalt in Städten bei. Ganz nach der wohl bekannten Redewendung „klein, aber fein“ sind bei genauerem Hinsehen die kleinen Pflanzen häufig auch optisch sehr ansprechend, da die filigranen Blüten vielfach farbenfroh und kontrastreich sind.

Aufrechter Sauerklee (Oxalis stricta)

Oxalis stricta

Fundort am Campus: Pflasterritzen am westlichen Parkplatz, Terrasse des Informatikgebäudes

Der Aufrechte Sauerklee bzw. Oxalis stricta sticht, trotz der kleinen Größe, durch die auffällige helle und gelbe Blüte ins Auge. Die Blätter erinnern sehr an die eines Klees (Trifolium), sind jedoch, wie auch teilweise an der Abbildung zu erkennen, oft nach unten geklappt und zusammengeknickt. Die Blütezeit dieser kleinen Pflanze reicht ungefähr von Juni bis Oktober. Der Aufrechte Sauerklee ist keine heimische Pflanze, sondern ein Neophyt aus dem Mittelmeergebiet und ist erst im 19. Jh. im Norden Deutschlands eingewandert. Dass der Sauerklee an der Universität Augsburg in Pflasterritzen vorkommt, bedeutet nicht, dass er zur typischen Ritzenvegetation gehört. Die Spezies verbreitet sich generell gerne in nährstoffreichen und warmen Habitaten. Die Samen der Pflanze werden durch die länglichen Früchte bis zu 1m weit weggeschleudert. Dies geschieht durch den hohen Druck der sich in der Frucht aufbaut.

 

Huflattich (Tussilago farfara)

Tussilago farfara

Fundort am Campus: Wegränder, Pflasterritzen, Bauschutt

Der Huflattich ist eine typische und häufige Ruderalpflanze. Namensgebend ist die Form der Blätter, die an ein Hufeisen erinnern. Eine Besonderheit des Huflattichs ist, dass die Pflanze auffällig in einer gelben Farbe blüht, noch bevor dessen Blätter zum Vorschein kommen. Erst nachdem die Blüte abblüht, folgen die relativ großen Blätter. Da die Blüten bei voll entwickelten Blättern bereits passé sind, kommt es häufig zu einer Verwechslung mit der Pestwurz (Petasites). Zwar sind die Blüten der beiden Arten überhaupt nicht zu vergleichen, die Blattform ist jedoch sehr ähnlich. Die Blätter des Huflattichs sind generell kleiner und mit kleinen Zähnen am Blattrand versehen, die an der Spitze schwarz sind. Bevorzugt wächst der Huflattich als Pionierpflanze auf offenen Standorten und ist deswegen meistens an Wegrändern, Bauschutt und Gruben vorzufinden. Auch an Ufern ist die Pflanze anzutreffen.

Kahles Bruchkraut (Herniaria glabra)

Herniaria glabra

Fundort am Campus: Pflasterritzen, Parkplätze

Das Kahle Bruchkraut fällt vor allem durch eine teppichartige Ausbreitung auf. Bevorzugt gedeiht diese Pflanze an Trockenrasen mit sandigem Boden. Aus diesem Grund ist sie ein durchaus häufiger Vertreter der Pflasterritzenvegetation. Durch die anliegende Ausdehnung und die knäuelartigen Blütenbündel ist das Kahle Bruchkraut in unseren Regionen kaum zu verwechseln.

 

Vogelknöterich (Polygonum aviculare)

Polygonum aviculare

Fundort am Campus: Pflasterritzen, Wegränder und Trittwiesen

Der Vogelknöterich oder auch Polygonum aviculare breitet sich horizontal in alle Richtungen aus und trägt weiße Blüten. In Deutschland gehört die Pflanze zu einer der drei am häufigsten vorkommenden Pflanzenarten der Trittgesellschaften. Am liebsten gedeiht der Vogelknöterich an trockenen und nährstoffreichen Standorten, was Pflasterritzen und Standorte im Siedlungsbereich zu idealen Lebensräumen für die Spezies macht. Die Verbreitung der Früchte durch den Menschen macht siedlungsnahe Standorte für die Pflanze interessant. Unbewusst haften sich die Früchte bei Betritt an das Schuhwerk, wir tragen somit zum Erhalt und der weiteren Verbreitung des Vogelknöterichs bei.

Weiße/r Fetthenne/Mauerpfeffer (Sedum album)

Sedum album

Fundort am Campus: Pflasterritzen, Schotter, Kies, Dächer

Die weiße Fetthenne fällt außerhalb der Blütezeit vor allem durch die kleinen, dicken und fleischigen Blätter auf. Werden diese Blätter aufgebrochen, dann entdeckt man im Inneren einen Flüssigkeitsspeicher. Im Lateinischen heißt Saft sucus, deshalb werden Pflanzen mit solch saftreichen und robusten Blättern auch Sukkulente genannt. Bricht mal ein Blatt ab, dann wächst aus diesem eine neue Fetthenne, weswegen sich der Großteil der Fetthennen-Arten in Städten durch das Befahren und den Tritt ideal ausbreiten kann. In der Hauptblütezeit (Juni - September) fallen die kleinen unscheinbaren Pflanzen durch ihre weißen und buschigen Blütenstände (siehe Bild) vielmehr ins Auge. Neben der Weißen gibt es auf dem Campus noch einige weitere Vertreter aus der Gattung der Fetthennen.

 

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