Lebensraum: Urbaner Wald
Neben vielerlei Wiesenfläche finden sich auf dem Campus immer wieder mal kleine Baum- oder Strauchgruppierungen. An dieser Stelle wird vorsätzlich nicht der Begriff „Wald“ genutzt, da es sich bei einem Wald laut Leser H. et al. (2011) um eine „quasi-natürliche oder natürliche Lebensgemeinschaft von Pflanzen und Tieren, mit Baumbeständen unterschiedlicher Dichte und Schichtung […] handelt.“ Da das ganze Pflanzenreich auf dem Campus der Universität Augsburg regelmäßig gepflegt wird und dadurch von Zeit zu Zeit in der Entwicklung gestört wird, sind die Baumvorkommen weit von einer natürlichen oder quasi-natürlichen Lebensgemeinschaft entfernt. Für solche vom Menschen überprägte Baumformationen wurde der recht moderne Begriff „urban forestry“ eingeführt. Die Naturferne der sich auf dem Campus befindlichen Baum- und Strauchformationen bedeutet jedoch nicht, dass die pflanzliche Vielfalt in unseren kleinen Waldgürteln niedrig ist. Ganz im Gegenteil, so gehören z.B. kleine Säume (Übergänge zwischen Wald und Wiese) zu den Lebensräumen mit hoher Biodiversität, da sie eine Durchmischungszone zweier unterschiedlicher Habitate darstellen. Durch die besonderen Standortfaktoren, wie dem Schattenwurf und dem damit erhöhten Feuchtigkeitsgehalt, wachsen in diesen Bereichen einige Pflanzenarten, welche andernorts eher selten zu finden sind. Die Gärtner des Campus achten darauf, dass die sich immer neu bildende Strauchschicht in einem Turnus von einigen Jahren entfernt wird, um die Vielfalt der Krautschicht zu fördern. Ansonsten würde den kleinen Pflanzen der starke Konkurrenzdruck der Büsche zum Verhängnis werden.
In diesem Bereich liegt der Fokus auf den pflanzlichen Vertretern der Krautschicht. Da der Großteil der Bäume auf dem Campus planmäßig angepflanzt wurde und folglich nicht immer an bestimmte Lebensräume gebunden ist, finden Sie diese in der Kategorie „Bäume“.
Buschwindröschen (Anemone nemorosa)
Fundort am Campus: Baumformation im Norden des Uni-Geländes
Das Buschwindröschen gehört zu den Frühblühern und kommt meistens sehr zahlreich in großen Gruppen vor (siehe Bild). Wie die meisten Frühblüher sind die Windröschen giftig. Sie enthalten eine giftige Substanz namens Protoanemonin, welche zu Schädigungen des Darmtrakts führt. Ebenfalls kann der Saft der Pflanze zu Reizungen auf der Haut führen. Da das Buschwindröschen bereits im frühen Frühling auftaucht, ist es kaum Konkurrenzdruck ausgesetzt, da die Belaubung der Bäume und Sträucher erst im späteren Verlauf des Frühlings voll entwickelt ist und die kleinen weiß blühenden Pflanzen somit den vollen Einstrahlungsertrag der Sonne genießen können. Eine Besonderheit der Pflanze ist die Ausbreitung mithilfe von Ameisen. Die kleinen Früchte haben kleine Anhängsel, welche Öle beinhalten, die Ameisen anlocken. Dadurch transportieren die kleinen Krabbeltiere die Früchte der Buschwindröschen, um sich daran zu nähren. Die Pflanze kann sich aus der übrig bleibenden Frucht an einem neuen Standort ausbreiten.
Gewöhnlicher Nelkenwurz (Geum urbanum)
Fundort am Campus: Baumformationen, Säume, schattige Standorte
Die Gewöhnliche Nelkenwurz ist sehr häufig und weit verbreitet. Neben den kleinen gelben Blüten sind die kugelförmigen Früchte, die an kleine Morgensterne erinnern ein auffälliges Erkennungsmerkmal der krautigen Pflanze. An den Spitzen dieser Früchte befinden sich kleine Widerhaken, die am Fell von Tieren hängen bleiben und dadurch verbreitet werden. Sowohl die Blätter und Blüten als auch die Wurzeln von Geum urbanum sind essbar. Erstere eignen sich z.B. als Beigabe zu Salaten, während letztere getrocknet bei der Tee-, Suppen- oder auch Gewürzzubereitung geschmacklich zu überzeugen wissen. Als Tee hat die Gewöhnliche Nelkenwurz laut Volksheilkunde auch positive Effekte bei Entzündungen des Zahnfleisches oder auch Verstimmungen im Magen-Darm-Bereich.
Stinkstorchschnabel (Geranium robertianum)
Fundort am Campus: Baumformationen, Säume, Schilder/Laternen, Schutt
Der Stinkstorchschnabel oder auch das Ruprechtskraut ist eine Art von vielen in der Gattung der Storchschnäbel. Die Namensgebung ist bei der Betrachtung der Früchte (siehe Bild) schnell eindeutig, da diese eine spitz zulaufende Form haben, welche an einen langen Schnabel erinnert. Der Namenszusatz des Stinkstorchschnabels bezieht sich auf den unangenehmen Geruch, der bei der Zerreibung der Pflanze entsteht. Die Verbreitung der Samen von Storchschnabel-Vertretern ist ziemlich ausgefallen. Durch ein Katapultsystem der Frucht, werden die Samen bei Reife bis zu 1,8m in die Luft geschleudert. Bevorzugt wächst Geranium robertianum in schattigen und nährstoffreichen Lebensräumen. Gleichzeitig breitet sich die Pflanze auch gerne in steinigen Lebensräumen aus. Hier kommt es häufig zu einer überlaufenden Rotfärbung der Stiele und Blätter.
Weißes Waldvögelein (Cephalanthera damasonium)
Fundort am Campus: Baumformationen, Wiesen im nördlichen Bereich des Campus
Das Weiße Waldvögelein oder auch Cephalanthera damasonium ist eine besondere Pflanze, da sie zu den wild wachsenden Orchideen Deutschlands gehört. Im Jahr 2017 wurde sie auch zur Orchidee des Jahres gekürt. Meistens wächst das Waldvögelein in Wäldern, die nicht zu dicht bewachsen sind. Hier ist die Orchideenart häufig an eine Pflanzengesellschaft in Buchenmischwäldern gebunden. Auch auf dem Campus lässt sich das Waldvögelein in der Krautschicht der kleinen Buchen-Baumgürtel finden (z.B. vor dem Gebäude des ZWW). Aber auch Wiesen mit vereinzeltem Baum- oder Gebäudeschatten stellen auf unserem Campus ein Habitat für diese attraktive Blume dar. Sieht man ein Weißes Waldvögelein blühen, dann kann man davon ausgehen, dass es mindestens 9-10 Jahre alt ist, da die Pflanze zuvor ausschließlich unterirdisch lebt. Während dieser Zeit erhält sie die notwendigen Nährstoffe durch eine Symbiose mit einem Pilz. Solch eine Lebensgemeinschaft zwischen Pilz und Pflanze wird Mykorrhiza genannt.