Lebensraum: Ruderale Standorte

"Unkraut nennt man die Pflanzen, deren Vorzüge noch nicht erkannt worden sind" - Ralph Waldo Emerson, Philosoph

Neben den angepflanzten und häufig gepflegten Standorten, gibt es an der Universität Augsburg auch manch unangerührte Fläche, auf welcher sich klassische Spontanvegetation ausbreiten kann. Häufig sind dies Flächen, die nur für eine begrenzte Zeit ungenutzt bleiben. Das können beispielsweise Schutthaufen auf Baustellen oder auch aus Kies bestehende Parkplätze sein. Spontan auftretende Vegetation wird auch als Ruderalvegetation bezeichnet. Der Name kommt aus dem Lateinischen: „rudera“ bedeutet Trümmer und wurde vor allem in der Nachkriegszeit für die Pflanzen verwendet, die als Initialbestand auf Trümmern und Schutt aufgetreten sind. Da sich die Vegetation an solchen Brachflächen für eine bestimmte Zeit ungestört ausbreiten kann und zu Beginn keinem starken Konkurrenzdruck ausgesetzt ist, weisen Flächen dieser Art meistens eine höhere Artenvielfalt auf als z.B. Vielschnittwiesen.

 

Acker-Senf (Sinapis arvensis)

Sinapis arvensis

Fundort am Campus: Baustelle nordwestlich des Unigeländes am Musik- und Kunstgebäude

Findet der Acker-Senf erst mal einen guten Standort zum Wachsen, dann breitet er sich sehr schnell aus und bildet flächendeckende Bestände. Durch diese Eigenschaft und die zum Verwechseln ähnlich aussehende gelbe Blüte, wird der Acker-Senf bei der Bestimmung gerne mit dem durch den Menschen häufig kultivierten Raps verwechselt. Wie der Name der Pflanze bereits erahnen lässt, schmeckt Sinapis arvensis nach unserem herkömmlichen Senf. Normalerweise wird jedoch der Weiße Senf (Sinapis alba) kultiviert und zur Senfherstellung genutzt. Bereits im Altertum haben die Menschen sowohl die Heilwirkung des Senfs als auch seine Nutzbarkeit als Nahrungsmittel erkannt. Die durch die Pflanze erzeugten Senföle haben auch Vorzüge für den Acker-Senf selbst, da sie Insekten, welche sich bevorzugt von Pflanzen ernähren, fern halten.

Grüne Borstenhirse (Setaria viridis)

Setaria viridis

Fundort am Campus: Entlang von Treppen, Pflastersteine, Ruderalstandorte

Mit ihren langen Grannen erinnert diese Grasart an Getreide und dies aus gutem Grund: Es handelt sich um die Grüne Borstenhirse, die der Stammform der Kolbenhirse (Setaria italica) entspricht, welche eine der vielen kultivierten Hirsearten ist. Die Grüne Borstenhirse wächst häufig wild auf Äckern neben angepflanztem Gut. Da dieses Gras sehr stickstoff- und wärmeliebend ist, breitet es sich in den letzten Jahren immer stärker in Siedlungsbereichen bzw. Städten aus. Hier wird die Pflanze durch die permanente Verkehrsbelastung mit ausreichend Stickstoff versorgt und fühlt sich auch bei der warmen Temperatur wohl, die dank dem Wärmeinseleffekt in Städten höher ist als im Umland.

 

Huflattich (Tussilago farfara)

Tussilago farfara

Fundort am Campus: Wegränder, Pflasterritzen, Bauschutt

Der Huflattich ist eine typische und häufige Ruderalpflanze. Namensgebend ist die Form der Blätter, die an ein Hufeisen erinnern. Eine Besonderheit des Huflattichs ist, dass die Pflanze auffällig blüht, bevor die Blätter zum Vorschein kommen. Da die Blüten bei voll entwickelten Blättern bereits passé sind, kommt es häufig zu einer Verwechslung mit der Pestwurz (Petasites). Zwar sind die Blüten der beiden Arten nicht zu vergleichen, die Blattform ist jedoch sehr ähnlich. Die Blätter des Huflattichs sind generell kleiner und mit kleinen Zähnen am Blattrand versehen, die an der Spitze schwarz sind. Bevorzugt wächst der Huflattich als Pionierpflanze auf offenen Standorten und ist daher meist an Wegrändern, Bauschutt und Gruben vorzufinden. Auch an Ufern ist die Pflanze anzutreffen.

Raue Gänsedistel (Sonchus asper)

Sonchus asper

Fundort am Campus: Baustellen, Schutt, Parkplätze

In ganz Deutschland sind neben der Rauen Gänsedistel (siehe Bild) noch zwei weitere stark verbreitet: die Acker- und die Kohl-Gänsedistel. Meistens wachsen die Gänsedisteln auf Äckern und an sonstigen ruderalen Standorten wie z.B. Schutt. Früher wurden diese Pflanzen als Heilmittel genutzt. Vor allem der weiße, milchige Saft im Inneren des Stängels wurde bei Magenbeschwerden, Kurzatmigkeit und Fieber eingenommen. Darüber hinaus sind alle drei Gänsedisteln für den Verzehr geeignet. Dazu reicht es wenn der Stängel gehackt, gewaschen und anschließend gedünstet wird. Geschmacklich erinnert die Gänsedistel an einen gewöhnlichen Kopfsalat. Vor dem Verzehr sollte jedoch immer auf die Umgebung des Wuchsstandorts geachtet werden, um eventuelle schädlichen Einträge auszuschließen. 

 

Topinambur (Helianthus tuberosus)

Helianthus tuberosus

Fundort am Campus: Baustelle nordwestlich des Unigeländes am Musik- und Kunstgebäude

Der Topinambur oder auch die Erdbirne ist durch die bemerkenswerte Wuchshöhe (100 - 250 cm) und die hell gelb leuchtende große Blüte sehr auffällig. Auch bekannt ist der Topinambur durch die essbaren Knollen, welche die Pflanze unterirdisch ausbildet. In Europa wurde die Pflanze ab dem 17. Jahrhundert zum ersten Mal kultiviert. Damals gehörte die Knolle zu den Grundnahrungsmitteln, die vor allem nach dem Dreißigjährigen Krieg vermehrt konsumiert wurde. Auch heute wird diese Pflanze noch zum Verzehr genutzt, jedoch hat sie in der Vergangenheit ihren Stellenwert als Grundnahrungsmittel wegen des Aufkommens der ergiebigeren Kartoffel verloren. Geschmacklich sind die Knollen mit der Kartoffel tatsächlich vergleichbar. Essbar sind sowohl die regulären als auch die Blütenblätter, welche z.B. zur Dekoration von Speisen genutzt werden können. Zudem werden die Knollen dank ihrer hohen Konzentration von Mineralien, B-Vitaminen und Inulin als sehr gesund erachtet.

Wimper-Perlgras (Melica ciliata)

Melica ciliata

Fundort am Campus: Kiesparkplatz der Physik

Melica ciliata ist eine sehr auffällige Grasart, da die Blüten sehr weich, haarig und silberfarben sind. In der Natur wächst das Wimper-Perlgras vornehmlich auf Felsen, Roh- oder auch Skelettböden. Dies sind Böden, die vergleichsweise große Korngrößen aufweisen, folglich auch als grob bezeichnet werden können. Bisher konnte das Perlgras auf dem Campus nur auf dem kiesigen Parkplatz im Süden und entlang des Physikgebäudes entdeckt werden. Das Vorkommen des auffälligen Grases ist überraschend, da es in Bayern eher im Altmühltal entlang der Donau verbreitet ist und südlich der Donau Bestände eher selten sind.

 

Zurückgebogener Fuchsschwanz (Amaranthus retroflexus)

Amaranthus retroflexus

Fundort am Campus: Dächer, Bauschutt

Wie der Name der Pflanze bereits andeuten lässt, handelt es sich hier um einen Vertreter der Fuchsschwanzgewächse. Dies mag wohl am Aussehen des Blütenstands liegen (vgl. Bild). Der deutsche Name mag vorerst vielleicht nicht darauf schließen lassen, aber für viele ist diese Pflanze - und vor allem deren Früchte - durchaus bekannt. Der Fachbegriff bringt hier etwas Licht ins Dunkel: Amaranthus retroflexus. Amaranth werden auch die Früchte genannt, welche als Getreide bekannt sind, was, wenn man es ganz genau nimmt, so nicht stimmt, da die kleinen Körner in diesem Fall nicht wie andere Getreidearten von Süßgräßern stammen, sondern von den eben erwähnten Fuchsschwanzgewächsen. Der bei uns im Einzelhandel erhältliche Amaranth kommt meistens aus Nordamerika, von wo die Pflanze im 19. Jahrhundert zu uns nach Europa gekommen ist und sich seit dem vornehmlich an ruderalen Standorten und Äckern ausbreitet. Da die Erträge des Fuchsschwanzes im Gegensatz zu vielen Getreidearten kein Gluten enthalten, wird Amaranth auch gerne als Ersatzlebensmittel für Menschen mit Glutenunverträglichkeit bzw. Zöliakie hergenommen.

 

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