Ressourcenstrategie & Stoffgeschichten
Unser Alltag ist durch den Umgang mit einer Vielzahl von natürlichen wie synthetischen Stoffen und Materialien sowie deren Funktionalitäten und Wirkweisen geprägt, d.h. sie stellen eine wesentliche Grundlage der industriellen Wertschöpfung dar. Andererseits spielen insbesondere erstere in ökologischen Prozessen und Kreisläufen eine fundamentale und lebenserhaltende Rolle, wie etwa im Rahmen des Kohlenstoffkreislaufs. Die technisch-wirtschaftliche Inwertsetzung vieler Stoffe sowie die Entwicklung neuartiger Materialien und Produktinnovationen, z.B. im Bereich erneuerbarer Energien und der Medizin, eröffnen neben vielen nutzbringenden Perspektiven auch teils unerwartete Herausforderungen und Risiken, wie etwa durch deren Dissipation oder Verknappung. Diese potentiellen Risikofelder und deren Wahrnehmung führen wiederum zu neuen gesellschaftlichen Diskursen und – im besten Falle – zu einer Entwicklung zukunftsfähiger Lösungsstrategien.
Uns geht es darum, mit neuen und innovativen Methoden insbesondere die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Förderung und Nutzung bestimmter Materialien und Stoffe zu identifizieren und Lösungen für einen nachhaltigeren Umgang mit Ihnen zu entwickeln, um idealerweise „kritische“ wirtschaftliche, ökologische und soziale Situationen im Vorfeld erkennen und präventiv mildern oder gar vermeiden zu können. Um die Interdependenzen zwischen Soffen und ihrem „Umfeld“ zu untersuchen, ist ihre chemisch-physikalische Beschreibung nicht gänzlich ausreichend, sondern es gilt ebenso die Analyse der unterschiedlichen Praxisdomänen und Diskurse, in denen Stoffen eine kontext- bzw. diskursspezifische Bedeutung zuerkannt wird, zu beachten und die maßgeblich daran beteiligten und betroffenen Akteure und Institutionen zu identifizieren (vgl. Böschen, Reller und Soentgen, 2004). Dies erfordert umfangreiche Kenntnisse von der Gewinnung, Verarbeitung, Nutzung und Entsorgung dieser „Stoffe“ sowie deren Verhalten und Wirkweisen sowohl entlang der technisch-wirtschaftlich geplanten Prozesspfade als auch abseits der geplanten Prozesspfade. Dies gelingt insbesondere mit Hilfe der „Stoffgeschichten“, die über Stoffe, Materialien oder Produkte und deren Eigenschaften sowie kontextabhängigen Wirkformen aufklären. Dabei werden Stoffe nicht nur durch bestimmte chemisch-physikalische Konstellationen und Prozesse hindurch verfolgt, sondern auch durch verschiedene Zeiten und Situationen (Böschen, Reller und Soentgen, 2004). Somit wird eine große Bandbreite an materiellen und immateriellen Wirkkontexten erfasst, die im Rahmen vieler gängiger Lebenszyklusanalysen oftmals unbeachtet bleiben. Dies ist insbesondere bei der Technikfolgenabschätzung von Bedeutung, da diese in hohem Maße auf der Kunst basiert, das Unerwartete zu erwarten (vgl. Böschen, 2012). Gerade diesen Umstand gilt es bei der Analyse und Bewertung von kritischen Momenten im Umgang mit Stoffen und Materialien zu berücksichtigen.

Sowohl das Konzept der Stoffgeschichten als auch Methoden der Erfassung der Kritikalität des Umgangs mit Stoffen sind mittlerweile wichtiger Bestandteil internationaler Forschungsbemühungen und insbesondere wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung von zukunftsweisenden Ressourcenstrategien. Diese werden am WZU maßgeblich (weiter-)entwickelt und in Kooperation mit Partnern aus Wissenschaft, Forschung, Verwaltung und Praxis angewandt.