Die Jakobuskathedrale des armenischen Patriarchats

Beitrag von Lena Lindmair

 

Geschichte der Kathedrale

Sankt Jakobus befindet sich, umgeben von den Gebäuden des armenischen Patriarchats, auf der östlichen Seite der mittelalterlichen Straße Mount Sion (heute Armenian Patriarchate Street) in Jerusalem, etwa auf halbem Weg zwischen der Davidszitadelle und der südlichen Stadtmauer.

 

Abb. 1: Blick in die Sankt Jakob-Kapelle.

 

Die Jakobuskathedrale, wie sie auch weitgehend heute noch existiert, wurde wohl zwischen 1142 und 1165 und damit zur Zeit der Kreuzfahrer, von Armeniern auf einer bereits bestehenden byzantinischen Kapelle erbaut. Doch hatte Sankt Jakobus im Jahre 1165 noch nicht das heutige Aussehen. Zu Beginn der Bauzeit wurde Gregor Bahlavouni, ein armenischer Katholikos (früher Patriarch) mit der Erbauung in Verbindung gebracht. Zum Ende der Bauzeit Thoros II., König Ziliziens, einer Gegend in der heutigen Türkei. Allein, dass die Kirche 1165 vollständig erbaut war, ist belegt.

 

Sankt Jakob, der Patron dieser Kirche, gehörte mit Petrus und seinem Bruder, dem heiligen Johannes, zum engsten Kreis der Jünger Jesu. Viele glauben, Jakob war der erste Apostel, der 44 n. Chr. als Märtyrer starb. Getötet wurde er von Herodes Agrippa I. Wann jener Platz, auf dem die Kirche jetzt steht, als die letzte Ruhestätte Sankt Jakobus identifiziert wurde, ist unbekannt. Jedoch hielten sie schon die Kreuzfahrer für den Ort, an dem sein Haupt begraben wurde.

 

Johannes von Würzburg, ein Pilger, erwähnte die Kirche als erster und schrieb von einer von armenischen Mönchen bewohnten Kirche. Seit jeher haben sich weitere Pilger bewundernd über die Schönheit der Jakobuskathedrale geäußert und deren armenische Herkunft bestätigt: Sie besitze zwei Eingangstore und gleich daneben eine Zisterne.

 

Niccolo da Poggibonsi beschrieb zwischen 1346 und 1350 die Kathedrale mit folgenden Worten:

 

„Auf halbem Wege in die Kirche befindet sich in der Wand eine Apsis, die einen sehr schönen Altar umschließt; unter dem Altar ist ein großer, roter Marmorstein mit einem Loch, das vier Finger breit und eine Handbreit tief ist; und hier wurde St. Jakob enthauptet, und hier brennen immer drei Lampen“ (Libro d´oltramare, S. 63).

 

Johannes Poloner, ein weiterer Pilger, schrieb 1422:

 

„Diese Kirche ist rund mit dicken Mauern und extrem starken Stützgewölben; sie hat vier quadratische Säulen in der Mitte und keine Fenster außer einem einzigen runden, verglasten ganz oben, aber zweihundert oder mehr Lampen.“ (Description of the Holy Land, S. 15).

 

Poloner hat wohl tatsächlich einhundertzwanzig Lampen leuchten sehen und den Ort als denjenigen erkannt, an dem der heilige Jakob sein Martyrium erfuhr.

 

Eine Kathedrale der Kreuzfahrer

Der Bauplan, nach dem die Kirche errichtet wurde, war für das westliche Europa nicht üblich; jedoch für Byzanz und Armenien. Die ursprüngliche, auf der Kapelle erbaute Kirche, bestand aus einem 6,40 Meter breiten Mittelschiff, zwei nicht identischen Seitenschiffen und einer, auf vier gewaltigen Säulen ragenden Kuppel. Jene Säulen gibt es auch heute noch, sie sind jedoch aufgrund von Putzarbeiten und Malereien nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form zu erkennen. Nicht nur diese Säulen, sondern viele weitere Ergänzungen wurden in mehreren Epochen während der Kreuzfahrerzeit erbaut.

 

Durch ein Portal auf der südlichen Seite der Kirche und zwei kleinere Eingangstüren auf der westlichen Seite – eine der beiden ist auch heute noch in Benutzung – betrat der frühere Besucher das Gebäude. Die älteren Bauwerke, wie die Kapellen von Sankt Menas und Sankt Stephan (ebenerdig), sowie die Apostelkapelle im ersten Obergeschoss, wurden in den nördlichen Teil der Kirche integriert. Der angeblich älteste Gebäudeteil ist vermutlich die schon genannte Kapelle Sankt Menas. Sie soll die ursprünglich byzantinische Kapelle aus dem sechsten Jahrhundert sein.

 

Die Kuppel ist sehr wahrscheinlich armenischen Ursprungs. Sie wurde im 13. Jahrhundert erbaut und anhand einer armenischen Vorlage aus dem 10. Jahrhundert angefertigt. Die Fenster der Kuppel sind die einzigen lichtbringenden Elemente der ganzen Kirche. Sankt Jakob gilt als charakteristisches Beispiel für die Kunst der Kreuzfahrerzeit im Heiligen Land, die architektonisch neben armenischen auch von südfranzösischen Elementen geprägt war: Von armenischen Architekten entworfen, stammen Teile der Ausstattung von südfranzösischen Werkstätten Jerusalems.

 

 

Spätere Dekorationen

Neben einer geschnitzten Holztür des 14. Jahrhunderts zieren noch viele weitere armenische Schenkungen aus der Kreuzfahrerzeit die Kirche.

 

Abb. 2: Blick in die Sankt Jakob-Kapelle.

 

Den, den Hauptaltar umgebenden Boden, schmücken geometrische Muster, die sogenannten Opus Sectile. Ein Thron Sankt Jakobs des Jüngeren befindet sich an der nördlichsten Säule der Kathedrale. Am Ehrentag des Sankt Jakobus verwendet ihn der Patriarch auch heute noch. Auf der östlichen Seite des Throns wurde eine Begrenzung angebracht, in der sich die Grabstätte Jakobus des Jüngeren befand. Dieser Bereich ist ebenfalls mit Opus Sectile verziert. Die Kanzel aus Schildpatt und Perlmutt, die mittig in der Kirche thronte, wurde mit einem Baldachin bzw. einer Kuppel gleichen Materials umgeben. Der Hauptaltar des heiligen Jakobus des Älteren wurde über einen Meter erhöht auf einem Podest errichtet und die Wand um diesen Altar mit Marmorplatten dekoriert, die aus Vasen aufsteigende Blumenreliefs zeigten.

 

Die Etchmiadzin-Kapelle ist eine der beeindruckendsten Kapellen Sankt Jakobs. Sie wurde für den Patriarchen von Etchmiadzin erbaut. In ihrem Innern befindet sich ein kleinerer Altar mit einer Apsis, der den beiden Hauptaltären ähnelt. Henry Maundrell, ein Gelehrter der Universität Oxford, beschrieb

 

„drei große, grobe Steine, die für sehr wertvoll gehalten werden, da einer der Stein ist, auf den Moses die beiden Gesetzestafeln im Zorn über den Götzendienst der Israeliten warf; die anderen beiden wurden von den Orten hergebracht, an denen der Herr getauft bzw. verklärt wurde“ (A journey from Aleppo to Jerusalem in 1697, S. 163).

 

1727 erfuhr die Kapelle nochmals eine Erneuerung.

 

 

Die Zeit des Patriarchen Gregors des Kettenträgers

Gregor der Kettenträger wurde am 16. September 1715 zum Patriarchen von Jerusalem ernannt und stand nun – daher der Name – mit einer um den Hals getragenen Kette aus massivem Eisen ganze vier Jahre immer an Festtagen an den Eingangstoren der Kirche der heiligen Gottesmutter in Istanbul. Er leistete den Eid, die Kette so lange zu tragen, bis er 800 Säckchen voll Gold aufgebracht hatte. Er benötigte dieses Geld, da die armenische Kommune in Jerusalem bei muslimischen Gläubigern Schulden hatte und mit der Beschlagnahme der Kirche und auch anderer Eigentümer der armenischen Bevölkerung bedroht wurde.

 

In der Zeit Gregors fand auch die bedeutendste und beeindruckendste Umgestaltung der Kirche nach der Kreuzfahrerzeit statt. Ihm gelang es auch später noch, viele Stifter für sich zu gewinnen. Dadurch häuften sich viele bedeutsame Schätze zur Ehre Gottes in der Kirche an. Späteuropäische barocke Pracht und armenische Pretiosen vereinten sich zum einzigartigen Stil der Sankt Jakobuskathedrale. So wurden zum Beispiel die Portale zu den einzelnen nördlichen Kapellen zu jener Zeit noch prunkvoller ausgerüstet.

 

 

Die Schatzkammer

In der Schatzkammer der Jakobuskathedrale finden sich auch heute noch viele Kirchengewänder und liturgische Gegenstände. Einige schmücken den Altar oder werden während der Liturgie verwendet, andere von den Geistlichen während des Gottesdienstes getragen. Durch den armenischen Brauch, für jedes Fest eine spezielle Decke für den Altar zu verwenden, sammelten sich immer mehr Altardecken an. Einer Tradition folgend, wurden sie ab dem 17. Jahrhundert bestickt. Auch Bischofsgewänder aus Brokat wurden reich bestickt und verziert.

 

 

Die Kathedrale heute

Vier Säulen in der Mitte des Gebäudes kennzeichnen das Kirchenschiff, in welchem der Bischofsthron steht. Dahinter befindet sich der aus Zedernholz gefertigte Altar des heiligen Jakobus aus dem Jahr 1721, rechts davon der Altar Johannes des Täufers und links der Altar der Jungfrau Maria. Die Kathedrale verfügt über einen überdachten Vorbau des 17. Jahrhunderts und eine nordwestliche Tür, durch welche eine nicht näher bezeichnete Kapelle betreten wird. Die Makarius-Kapelle, die Kapellen der Heiligen Menas und Sergius, die Jakobs-Kapelle mit der Haupt-Reliquie und die Stephans-Kapelle, sind links des Hauptschiffes zu finden. Dieses wird durch Apsiden und ein typisches Kreuzfahrertor vom linken Kirchenschiff getrennt. Direkt daneben befand sich einst der ursprüngliche Kircheneingang; hierdurch wird heute die Etchmiadzin-Kapelle betreten.

 

Die Sankt Jakobuskathedrale besteht heute aus einer großen Kuppelhalle mit drei Buchten und einer offenen, das komplette Hauptportal einschließenden Vorhalle entlang der südlichen Seite. Im Innern enthält sie einen mit Leisten gewölbten Raum, zwei halbkreisförmige Apsiden Richtung Osten mit ursprünglich zwei Schlitzfenstern. Ein Teil der Wand besteht aus sehr groben, ausgeschnittenen, aber regelmäßig aufeinanderfolgenden Steinblöcken, die mit dickem Mörtel verfugt sind. Die nördlichen und südlichen Mauern unterscheiden sich, was jedoch nicht bedeuten muss, dass diese in unterschiedlichen Epochen erbaut wurden. Die Südfassade wurde besser in Stand gehalten, da sie, als die Kirche errichtet wurde, das Hauptportal enthielt. Der schlechtere Zustand der Nordfassade lässt sich dadurch erklären, dass sie auf den Mauerresten einer byzantinischen Kapelle entstand.

 

Quellen

  • Cossar, Clive D. M.: The German translation of Niccolàò da Poggibonsi´s Libro d´oltramare. Göppingen 1985.
  • Maundrell, Henry: A journey from Aleppo to Jerusalem at Easter, A.D. 1697. The sixth edition, to which is now added an account of the author's journey to the banks of Euphrates at Beer, and to the country of Mesopotamia. With an index to the whole work, not in any former edition. Oxford 1740, S. 163.
  • Poloner, John: Description of the Holy Land. London 1894 (Palestine Pilgrims´ Text Society, Band 6), S. 15; 231.

Internetquellen

Literatur

  • Narkiss, Bezalel, Stone, Michael E. (Hg.): Armenische Kunst. Die faszinierende Sammlung des Armenischen Patriarchats in Jerusalem. Stuttgart 1980.
  • Pringle, Denys: The Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem III. A Corpus Volume III. The City of Jerusalem. New York 2007.

Abbildungen

  • Abb. 1 und 2: © Lena Lindmair, März 2018.

Suche